Oettinger: EU muss bei Gas-Engpass zusammenhalten
16.10.2014 17:43
Die EU-Kommission hat den Ernstfall durchgespielt: Was passiert, wenn
Russland den Gashahn zudreht - und das im Winter? Sorgen machen
müssten sich in diesem Fall vor allem die Staaten Osteuropas. Doch es
gibt einen Ausweg, meint die EU-Kommission.
Brüssel (dpa) - Ein Gas-Lieferstopp aus Russland würde vor allem
Osteuropa treffen. Zu diesem Ergebnis kommt die EU-Kommission in
einer Analyse, die Energiekommissar Günther Oettinger am Donnerstag
in Brüssel vorgestellt hat. Vor dem Hintergrund der kriselnden
Beziehungen zu Europas wichtigstem Gaslieferanten haben die Autoren
untersucht, was ein sechsmonatiger Lieferstopp über den Winter in
Europa auslösen würde. Das Ergebnis: Die Bürger müssen nicht friere
n
- wenn die Staaten zusammenhalten. Mit dem Papier soll sich auch der
EU-Gipfel kommende Woche beschäftigen.
Wenn Russland den Gashahn zudrehte, würden Europa am Ende bis zu neun
Milliarden Kubikmeter an Gas fehlen, so die Analyse. Das entspricht
etwa drei Prozent des Gasverbrauchs.
Als Rezept empfiehlt der EU-Kommissar einen offenen europäischen
Binnenmarkt für Gas. «Der höhere Preis schafft den besten Anreiz zur
Versorgung, wo immer es in der Europäischen Union nötig ist», sagte
er. Solange die Staaten sich nicht abschotteten, würde steigende
Nachfrage mit höheren Preisen dafür sorgen, dass das Gas dorthin
fließt, wo es am dringendsten gebraucht wird. Hinzu kommen
alternative Energiequellen wie etwa Flüssiggas, das allerdings teuer
importiert werden müsste. Die Auswirkungen höherer Preise auf
Haushalte oder Wirtschaft hat die Brüsseler Behörde nicht untersucht.
Falls es eng wird, sollte der Studie zufolge zuerst die Industrie
ihren Gasverbrauch drosseln. Erst an letzter Stelle wären besonders
verletzliche Verbraucher betroffen, die aber jeder EU-Staat anders
definiert. Laut EU-Kommission gehören in jedem Land Endverbraucher
dazu, in einigen auch Krankenhäuser oder ähnliche Einrichtungen. Laut
durchgespielten Szenarien müssten nur Verbraucher in Estland einen
kalten Winter fürchten - und nur, falls die EU-Staaten ihre
nationalen Märkte gegen den Rat aus Brüssel abschotten.
Die Gasspeicher der EU sind derzeit zu etwa 90 Prozent gefüllt. Die
Staaten sind verpflichtet, Vorräte für etwa 30 Tage für verwundbare
Verbraucher vorzuhalten. Als dies vor einigen Jahren vereinbart
wurde, habe die EU-Kommission auf einen höheren Wert von 50 oder 60
Tagen gepocht, merkte Oettinger an. «Ich bin sicher, dass die
Mitgliedsstaaten heute klüger sind als (...) vor vier Jahren und
einen höheren Wert akzeptieren.»
Für das Papier haben die 28 EU-Länder sowie 10 benachbarte Staaten
Analysen dazu beigesteuert, wie sich eine verminderte Gasversorgung
und insbesondere ein russischer Lieferstopp bei ihnen auswirken
würden.
Derzeit importiert die EU nach Angaben der EU-Kommission mehr als die
Hälfte (53 Prozent) ihrer Energie. Insgesamt 90 Prozent ihres
Ölverbrauchs muss die EU einführen, beim Gas sind es 66 Prozent.
Im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland hofft Oettinger
derweil auf eine baldige Lösung. «Ich bin verhalten optimistisch»,
sagte er. «Ich glaube, dass aufgrund unserer intensiven Vorarbeit
(...) ein Winterpaket für die Sicherheit unserer Versorgung
erreichbar sein müsste.» Kremlchef Wladimir Putin sagte bei einem
Besuch in Serbien russischen Agenturen zufolge, er rechne mit einer
raschen Einigung im Gasstreit.
Die Ukraine bekommt wegen unbezahlter Rechnungen seit Juni kein Gas
aus Russland mehr und deckt sich zum Ärger Moskaus über Umwege bei
Nachbarländern mit Gas ein. Russland droht deshalb auch Europa mit
einem Lieferstopp. Nach Angaben Oettingers sollen die Gespräche am
Dienstag in Brüssel stattfinden.