Cameron wütend über Milliarden-Rechnung - Merkel zeigt Verständnis 

24.10.2014 18:51

Großbritannien soll wegen guter Wirtschaftsdaten zwei Milliarden Euro
für das EU-Budget nachzahlen. Premier Cameron ist empört. Merkel kann
den Ärger verstehen. Problematisch könnte aber wohl eher die kurze
Zahlungsfrist und nicht die Rechtsgrundlage sein.

Brüssel (dpa) - Milliarden-Nachforderungen aus Brüssel an
Großbritannien haben einen Wutausbruch von Premier David Cameron beim
EU-Gipfels ausgelöst. Er spüre «regelrechten Zorn», sagte Cameron a
m
Freitag am Rande des Treffens der 28 Staats- und Regierungschefs.

In der Nacht war bekanntgeworden, dass London wegen einer unerwartet
hohen britischen Wirtschaftsleistung bereits Anfang Dezember rund 2,1
Milliarden Euro für das EU-Budget an Brüssel überweisen soll. «Wir

werden nicht plötzlich unser Scheckbuch herausholen und einen Scheck
über zwei Milliarden Euro schreiben. Das wird nicht passieren», sagte
Cameron. Der Premier zweifelte die Höhe des Betrags an: Er wolle von
der Kommission wissen, «wie in aller Welt man bei diesen Zahlen
angekommen» sei.

Cameron fühlt sich von Italien, den Niederlanden, Malta und
Griechenland unterstützt, die ebenfalls von Nachforderungen betroffen
sind. Brüssel beruft sich auf die Rechtsgrundlage. Frankreichs
Präsident François Hollande sagte, das europäische Recht müsse
respektiert werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte Verständnis für Camerons
Ärger: «Es ist auch nicht einfach, in drei Wochen zwei Milliarden
Euro zu zahlen, wenn man gerade in Haushaltsplanungen ist.» Camerons
Vorschlag, die Finanzminister einzuschalten, sei richtig. Der
scheidende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso versicherte,
es werde ein Treffen der Finanzminister mit der Kommission geben, um
dieses Thema zu besprechen.

Cameron steht innenpolitisch unter Druck, da er ein gutes halbes Jahr
vor den Parlamentswahlen gegen die EU-feindliche Ukip und EU-
kritische Strömungen in den eigenen konservativen Reihen
argumentieren muss. Für den Fall seiner Wiederwahl hat er für 2017
eine Volksabstimmung über einen EU-Austritt des Landes versprochen.
Ukip-Chef Nigel Farage nannte die Brüsseler Forderung «einfach
unverschämt». Auch Abgeordnete der Konservativen und der
Labour-Partei äußerten Kritik.

Merkel betonte: «Auch ich war erstaunt, wie der eine was kriegt und
der andere was zahlen muss.» Sie schränkte zugleich ein: «Dass, was
da errechnet wurde, wird von uns erst einmal nicht angezweifelt.»
Auch Cameron habe nicht gesagt, dass er gar nicht zahlen wolle,
sondern sich eher die kurze Frist kritisiert.

Der Sprecher von EU-Haushaltskommissar Jacek Dominik erläuterte, wenn
sich im Herbst eines jeden Jahres herausstelle, dass die Wirtschaft
eines Mitgliedslandes stärker gewachsen sei als vom Land selbst zuvor
angenommen, erhöhe sich jeweilige Beitrag für das EU-Budget. Falls
das Wirtschaftswachstum niedriger ausfalle, gebe es Rückzahlungen.

Etwa 70 Prozent des EU-Budgets werden aus den Hauptstädten in einer
Art Mitgliedsbeitrag nach Brüssel überwiesen. «Im Fall von
Großbritannien und den Niederlanden ist das Bruttoinlandsprodukt 2014
wesentlich höher gewesen, als sie selbst Anfang des Jahres gedacht
haben, also wird ihr Beitrag erhöht», sagte der Sprecher.

Deutschland soll fast 780 Millionen Euro zurückbekommen, Frankreich
rund eine Milliarde Euro. Auch Österreich kann dem Vernehmen nach mit
einer Rückzahlung rechnen. Die Niederlande müssen nach einem Bericht
der «Financial Times» weitere 642 Millionen nach Brüssel überweisen
.
Der niederländische Premier Mark Rutte sprach von einer «unangenehmen
Überraschung». Den Haag verlange von der EU Deutlichkeit, wie der
hohe Betrag zustande komme. Rutte: «Wir werden dies sehr gründlich
untersuchen und dabei auf alle Aspekte schauen, auch juristische.»