Ölpreis-Verfall alarmiert EZB - Vizepräsident fürchtet «Teufelskrei s»

20.12.2014 15:35

Verbraucher freut es, Notenbankern treibt es Sorgenfalten auf die
Stirn: Der Absturz der Ölpreise könnte die schon gefährlich niedrige

Inflation weiter drücken. Von Deflation ist aber noch nicht die Rede.

Berlin/Frankfurt (dpa) - Der Verfall der Ölpreise alarmiert die
Europäische Zentralbank (EZB) - ihr Vizechef Vítor Constâncio warnt
vor einem möglichen Abrutschen der Preise auf breiter Front. «Wir
rechnen nun mit einer negativen Inflationsrate in den kommenden
Monaten», sagte der Ökonom in einem Interview der «Wirtschaftswoche
».

Sollte Rohöl länger so billig bleiben wie zuletzt, drohe «ein
gefährlicher Teufelskreis aus sinkenden Preisen, steigenden realen
Lohnkosten, sinkenden Gewinnen, schrumpfender Nachfrage und weiter
sinkenden Preisen». Die bisherige Inflationsschätzung der EZB für das

nächste Jahr von 0,7 Prozent sei inzwischen nicht mehr zu halten.
Seit dem Sommer sind die Rohölpreise um bis zu 50 Prozent abgesackt.

Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte deswegen ein
gesamtwirtschaftlich sinkendes Preisniveau Anfang der Woche nicht
ausgeschlossen. Nehmen Preise dauerhaft ab, kann das zu einer
schädlichen Zurückhaltung bei Konsum und Investitionen führen.

Eine tatsächliche Deflation gebe es bei einigen Monaten negativer
Teuerung noch nicht, sagte Weidmann. Diese liege erst vor, wenn es zu
einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale aus Negativ-Inflation,
Rückgängen der Wirtschaftsleistung und Lohnsenkungen komme. «Dieses
Risiko ist weiterhin gering», meinte der Bundesbank-Chef.

Constâncio sieht ebenfalls keine unmittelbare Gefahr. «Deflationäre
Tendenzen beginnen, wenn die Unternehmen und die Menschen ihr
Verhalten ändern und Investitionen und Ausgaben verschieben», sagte
er der «Wirtschaftswoche». Zumindest in Deutschland sind die äußers
t
konsumfreudigen Verbraucher derzeit eine wichtige Konjunkturstütze.

Andere Eurostaaten kämen zudem zusehends aus der Krise, ergänzte der
EZB-Vizechef. «In Ländern wie Spanien oder Irland, deren Wirtschaft
sich langsam erholt, steigt die Produktivität. Das schafft Spielraum
für Lohnerhöhungen, die der Deflationsgefahr entgegenwirken.»

Uneinigkeit gibt es aber über zusätzliche Maßnahmen der Geldpolitik.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte im Kampf gegen die Mini-Inflation in
der Eurozone weitere Aktionen in Aussicht gestellt - erwartet wird
ein breit angelegtes Kaufprogramm für Firmen- oder Staatsanleihen.

Während Weidmann dabei vor einer «Umverteilung von Risiken zwischen
den Steuerzahlern der Mitgliedsländer» warnt, bekräftigte Constânci
o:
«Wir müssen alle geldpolitischen Instrumente nutzen.» Aktuell
versucht die EZB, Banken über den Kauf von Pfandbriefen und
Kreditpaketen zu entlasten und so die Kreditvergabe anzukurbeln.