EU und Frankreich kämpfen um Verbleib Griechenlands im Euro

07.07.2015 11:42

An den griechischen Geldautomaten werden die Euro-Scheine knapp, die
Europäische Zentralbank drosselt den Nachschub. Unter Zeitdruck muss
ein Sondergipfel eine Perspektive für weitere Hilfen schaffen.
Andernfalls könnte Griechenlands Finanzsystem kollabieren.

Brüssel/Athen (dpa) - Die EU-Kommission und Frankreich wollen das
überschuldete Griechenland unbedingt in der Eurozone halten. Die
Verhandlungen der internationalen Geldgeber mit Athen über ein Spar-
und Reformpaket müssten wieder aufgenommen werden, verlangte
Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Dienstag, wenige Stunden vor
einem Sondergipfel der 19 Euro-Staaten am Abend in Brüssel. Aus Sicht
von Frankreichs Premier Manuel Valls sollte Europa einen «Grexit»
nicht riskieren - aus politischen Gründen und wegen unwägbarer
Risiken für die weltweite Wirtschaftsentwicklung.

In einer Volksabstimmung hatten die Griechen am Sonntag die
Sparvorgaben der internationalen Gläubiger klar abgelehnt. Der linke
Ministerpräsident Alexis Tsipras erwartet nun Zugeständnisse der
Geldgeber, die seit 2010 bereits 240 Milliarden an Hilfen bewilligt
haben. Das bisherige Hilfsprogramm ist Ende Juni ausgelaufen, nicht
abgerufene Milliardenhilfen verfielen damit.

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem pocht auf ein Einlenken Athens.
Ohne ein nachgebessertes Angebot zu Reformen sei ein Verbleib in der
Eurozone «sehr fraglich», sagte der niederländische Finanzminister am

Montagabend in Den Haag.

Die Zeit drängt, denn das Bargeld in Griechenland dürfte nur noch
wenige Tage reichen. Und am 20. Juli muss Athen 3,5 Milliarden Euro
an die Europäische Zentralbank (EZB) zahlen, um fällige
Staatsanleihen zu tilgen. Wenn das Geld nicht komme, dann wäre dies
«tatsächlich der Fall eines Staatsbankrotts», sagte der
österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny am Montagabend laut
Nachrichtenagentur APA. Dann müsste die EZB aus seiner Sicht die
knapp 90 Milliarden Euro an ELA-Notfallkrediten formal fällig
stellen, wenn auch mit Fristen für eine Rückzahlung.

Von dem Sondergipfel erwartet die EZB laut Nowotny eine politische
Perspektive, dass eine Lösung im Schuldenstreit in Sichtweite kommt.
Das müsse sich in den Verhandlungen abzeichnen. «Das ist ein ganz,
ganz wichtiger Tag», sagte er.

Der lettische Zentralbank-Chef Ilmars Rimsevics sagte,
ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro sei das «realistischste
Szenario». Er sehe «faktisch keine andere Lösung», sagte er im
lettischen Rundfunk.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker appellierte dagegen an die
Eurozone, nicht voreilig auf einen Rauswurf Griechenlands zu drängen.
Zugleich dämpfte er Erwartungen an den Sondergipfel, der keine
umfassende Lösung aushandeln könne. «Aber wir werden heute den Weg
ebnen, um in gemeinsamem Gespräch und in gegenseitigem Verständnis,
und auch in gegenseitiger Toleranz, die Dinge in Ordnung zu bringen.»

Griechenland will mit den Euro-Partnern auch über einen erneuten
Schuldenerlass verhandeln. Das lehnt insbesondere Deutschland bislang
ab. 2012 hatten private Gläubiger bereits auf einen großen Teil ihrer
Forderungen verzichtet.

Die griechischen Banken bleiben noch mindestens bis Mittwochabend
geschlossen. Die Griechen dürfen seit gut einer Woche maximal 60 Euro
am Tag an Geldautomaten abheben. Überweisungen ins Ausland sind nur
mit Genehmigung der Zentralbank möglich. Ausländische Touristen sind
von den Einschränkungen nicht betroffen.

Die griechischen Banken können nur Geld auszahlen, weil sie die
Notkredite der EZB erhalten. Einen Antrag Athens, die Summe
aufzustocken, lehnte die EZB am Montagabend ab, wie mehrere Medien
berichteten.

Die soziale Not erreicht inzwischen dramatische Ausmaße. Im ersten
Quartal 2015 betrug die Arbeitslosenquote 26,6 Prozent, unter den
jungen Menschen bis 24 Jahren sind sogar knapp die Hälfte ohne Job.
Noch im Jahr 2008 - dem Beginn der globalen Finanzkrise - lagen
Deutschland und Griechenland laut Statistikbehörde Eurostat fast
gleichauf - mit Werten unter acht Prozent.