EU-Kommission stellt deutsche Glücksspielgesetze auf Prüfstand

08.07.2015 15:54

Online-Poker, Sportwetten, einarmige Banditen in der Kneipe - Brüssel
zweifelt an den deutschen Glücksspielregelungen. Bis September will
man eine Antwort. Andernfalls droht ein offizielles Verfahren.

Berlin (dpa) - Die EU-Kommission stellt die deutschen Gesetze zur
Regulierung von Glücksspielen wegen erheblicher Bedenken auf den
Prüfstand. Die zuständige Binnenmarkt-Kommissarin Elzbieta Bienkowska
hat bereits ein Vorverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet.
Dies geht aus einem Schreiben an die Bundesregierung und die
Bundesländer hervor, die für die Regulierung der Branche zuständig
sind. Der sechsseitige Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Zuerst hatte die «Süddeutsche Zeitung» darüber berichtet.

Die EU-Kommission zweifelt unter anderem daran, dass durch den
aktuellen deutschen Glücksspielstaatsvertrag der Jugendschutz
garantiert wird - beim Glücksspiel an Automaten in Spielhallen und
Gaststätten, aber auch in Online-Kasinos, die trotz Verbots sehr
beliebt sind. Bedenken hegt Brüssel auch wegen der Konzessionsvergabe
an private Sportwettenanbieter, wie sie im Staatsvertrag vom Juli
2012 geregelt wird.

Die Kommission vermutet, dass die deutsche Gesetzgebung in
wesentlichen Punkten mit EU-Recht nicht vereinbar ist. Deshalb
eröffnete sie Ende Juni bereits ein sogenanntes Pilotverfahren.
Deutschland hat nun bis Anfang September Zeit für eine Antwort. Falls
diese Antwort der Kommission nicht genügt, kann sie ein offizielles
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einleiten.

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme aus Brüssel: «Die Lenkung de
s
Glücksspiels in geordnete und überwachte Bahnen muss (...) als
gescheitert betrachtet werden. Der Jugend- und Spielerschutz ist im
Hinblick auf den hohen nicht regulierten Anteil an
Online-Glücksspielen ohne erkennbare Überwachung kritisch zu
hinterfragen.»

In Deutschland besteht grundsätzlich ein Lotto-Monopol des Staates.
Auch die Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele wie Poker und
Casino-Spielen im Internet ist weiter grundsätzlich verboten.
Allerdings können jetzt Online-Lotterien und -Sportwetten
ausnahmsweise erlaubt werden. In Schleswig-Holstein, das beim
aktuellen Staatsvertrag von 2012 anfangs nicht dabei war, gelten noch
Übergangsregelungen.