Intensive Ukraine-Gespräche vor Jahrestag von Minsk

18.01.2016 20:16

In der Ostukraine wird immer noch geschossen. Doch die Diplomatie
scheint in diesen Tagen mehr Chancen zu haben. Deutschlands First
Lady besucht Flüchtlinge am Rand des Kriegsgebietes.

Brüssel/Moskau/Kiew (dpa) - Wenige Wochen vor dem Jahrestag des
Minsker Abkommens verstärkt die internationale Gemeinschaft ihre
Anstrengungen für eine Friedenslösung in der Ostukraine. In Brüssel
sprachen am Montag die Außenminister der Europäischen Union (EU) über

den Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen
Regierung. «Wir haben jetzt eine vergleichsweise ruhige Phase mit
einer geringen Anzahl von Verletzungen des Waffenstillstandes», sagte
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). «Trotzdem müssen wir an

den schwierigen Werkstücken jetzt weiter arbeiten und eines der
schwierigsten ist (...) die Vorbereitung der gesetzlichen Grundlage
für die Wahlen in der Ostukraine.»

Die Umsetzung des Planes, unterzeichnet am 12. Februar 2015 in Minsk,
stockt. Die Ukraine müsste für die Separatistengebiete ein Wahlgesetz
und einen Sonderstatus in der Verfassung schaffen. Im Osten der
Ex-Sowjetrepublik wird aber trotz gültigen Waffenstillstands immer
noch geschossen. Dafür machen sich die Ukrainer und die von Russland
militärisch unterstützten Separatisten gegenseitig verantwortlich. Am
Montag wurden immerhin an einem Frontabschnitt Minen geräumt.

Russlands neuer Unterhändler in dem Konflikt, Boris Gryslow, sieht
den Friedensprozess im Donbass nicht in einer Sackgasse. «Es gibt
zahlreiche Wege für Fortschritte», sagte der Ex-Parlamentspräsident
der Zeitung «Kommersant» (Montag) in Moskau. Er sehe seine Aufgabe
darin, den Konfliktparteien diese Varianten aufzuzeigen. «Einige
möchten verantwortungsvolle Schritte zur Umsetzung der Minsker
Abkommen vermeiden.» Kremlchef Wladimir Putin hatte Gryslow Ende
Dezember zum Bevollmächtigten in der Ukraine-Kontaktgruppe ernannt.

Die deutsche First Lady Daniela Schadt besuchte am Montag als
Unicef-Schirmherrin Hilfseinrichtungen in Charkiw in der Ostukraine.
Dort traf die Partnerin von Bundespräsident Joachim Gauck auch Kinder
aus Flüchtlingsfamilien. In der zweitgrößten Stadt des Landes sind
nach Angaben von Helfern 200 000 Vertriebene aus dem Kriegsgebiet
registriert. Schadt sagte, es sei eine schwierige Situation in einem
Land, das ohnehin in einer nicht einfachen Transformationsphase
stecke. Sie besucht auch Einrichtungen zur Aidsprävention und für
behinderte Kinder.

Die Europäische Union kritisierte am Montag unzureichende
Fortschritte bei Reformprojekten in der Ukraine. «Wir haben
resümierend in der Runde der Außenminister festgestellt, dass es
Defizite im Bereich Justiz - insbesondere Korruptionsbekämpfung -
gibt», sagte Steinmeier nach den Beratungen in Brüssel. Vor allem vor
dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation der Ukraine gelte es,
diese zu beheben.

Um die Ukraine wieder attraktiv für Investitionen von außerhalb zu
machen, müssten sich Geldgeber in ein möglichst korruptionsfreies
Umfeld begeben können, sagte Steinmeier. An dem Punkt sei man aber
noch nicht. Fortschritte lobte er hingegen im Bereich der
Wirtschafts- und Finanzgesetzgebung, der Energiepolitik und bei der
Neuordnung der Verkehrspolizei.

Um die Ukraine zu unterstützen, hat die EU bereits Finanzhilfen in
Höhe von mehr als 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Weitere
1,2 Milliarden Euro sind bereits bewilligt. Voraussetzung für die
Auszahlung der Hilfen sind Reformen.

Die EU unterstütze die Ukraine dabei, sagte die EU-Außenbeauftragte
Federica Mogherini. Man sei sich einig, dass in der Ukraine in den
vergangenen Monaten herausragende Arbeit geleistet worden sei.