EU-Urteil: Diskriminierungsverbot nicht für «Scheinbewerber» gedacht

28.07.2016 12:14

Eine gute Bewerbung kann einen ziemlichen Aufwand bedeuten. Warum
sollte man Zeit investieren für eine Stelle, die man gar nicht haben
möchte? Zum Beispiel, um abgelehnt zu werden und dann auf
Entschädigung zu klagen...

Luxemburg (dpa) - Wer eine «Scheinbewerbung» einreicht, kann sich im
Falle einer Ablehnung nicht auf Antidiskriminierungs-Regeln berufen.
Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag entschieden.
Der Schutz vor Benachteiligung wegen Religion, Weltanschauung, Alter,
Geschlecht oder sexueller Orientierung im Berufsleben sei nur für
ernsthafte Bewerber gedacht, befanden die Luxemburger Richter
(Rechtssache C-423/15).

Für den Juristen K. sieht es damit schlecht aus. Er hatte sich 2009
für eine Nachwuchs-Stelle bei einer deutschen Versicherung beworben.
Als Voraussetzung nannte diese unter anderem einen zeitnahen
Hochschulabschluss.

K. gab unter anderem an, er verfüge als Rechtsanwalt und ehemals
leitender Angestellter über Führungserfahrung. Er wurde abgelehnt und
verlangte von der Versicherung zunächst 14 000 Euro wegen
vermeintlicher Altersdiskriminierung. Als er erfuhr, dass die vier
fraglichen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt worden waren,
obwohl es ungefähr gleich viele männliche und weibliche Bewerber
gegeben hatte, verlangte er eine weitere Entschädigung von 3500 Euro
wegen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts.

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Jurist sich nur
bewarb, um abgelehnt zu werben und eine Entschädigung einfordern zu
können. Der EuGH überprüft diese Einschätzung nicht selbst, hilft
dem
Erfurter Gericht mit dem aktuellen Urteil nun aber mit der Auslegung
von EU-Recht. Den konkreten Fall müssen die Erfurter Richter selbst
entscheiden.

Die Arbeitsrechtsexpertin Ina-Kristin Hubert von der Hamburger
Kanzlei Rödl & Partner sieht in der Entscheidung einen Schutz vor
Missbrauch des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) als
«Geschäftsmodell für Entschädigungsklagen». Mit dem AGG hat
Deutschland die relevanten EU-Vorgaben umgesetzt.