Europas Banken überstehen Stresstest - Wird nun alles gut? Von Alexander Sturm, dpa und Erik Nebel, dpa-AFX

30.07.2016 00:42

Wieder mussten sich Europas Banken tief in ihre Bücher schauen lassen
und den Aufsehern beweisen, dass sie für Krisen gerüstet sind.
Insgesamt zeigten sich die Geldhäuser als recht stabil. Doch nicht
alle glänzten - auch deutsche Banken geben Grund zur Sorge.

Frankfurt/Main (dpa) - 12 000 Daten per Bank, pro Geldhaus eine
PDF-Datei mit 20 Seiten. Wieder einmal haben Europas Bankenaufseher
massenhaft Zahlen erhoben, um die Geldhäuser der Kontinents auf ihre
Krisenfestigkeit zu prüfen. Sind sie gerüstet für einen Einbruch der

Wirtschaft? Reichen die Kapitalpuffer der Geldhäuser aus, wenn die
Immobilienpreise einbrechen? Mit solchen Szenarien wurden Europas
Banken auf Herz und Nieren geprüft. Auch wenn Banken laut Aussagen
der Aufseher inzwischen besser aufgestellt sind als noch vor Jahren,
war das Misstrauen in die Branche zuletzt groß. Und was ist mit den
italienischen Krisenbanken? Die am Freitagabend veröffentlichten
Ergebnisse sollten zumindest etwas Klarheit bringen.

Wie liefen die Tests ab?

Anders als beim vergangenen Stresstest gab es keine Vor-Ort-Prüfung.
Die Institute mussten die Szenarien durch ihre internen Systeme
laufen lassen und dann entsprechende Tabellen der Aufseher ausfüllen.
Veröffentlicht wurde dann, wie die Banken unter den verschiedenen
Szenarien abschnitten mithilfe der so genannten harten
Kernkapitalquote. Sie gilt als entscheidende Kennziffer. Sie setzt
das Eigenkapital von Banken ins Verhältnis zu den Risikoposten und
gibt Aufschluss über den jeweiligen Kapitalpuffer gegen Krisen.

Wie viele Institute durchleuchteten die Aufseher?

Die europäische Bankenaufsicht EBA hat 51 Institute unter die Lupe
genommen, darunter 9 deutsche. Parallel dazu untersuchte die
Europäische Zentralbank (EZB) in einer abgespeckten Variante 56
weitere Kreditinstitute aus der Eurozone. Veröffentlicht wurde nur
der EBA-Teil.

Was wollten die Aufseher wissen?

Geprüft wurde, ob die Geldhäuser genügend Kapitalpuffer hatten, um
einen Absturz der Wirtschaft und einbrechende Immobilienpreise zu
verkraften. Die Szenarien, die auf Basis der Geschäftszahlen zum
Jahresende 2015 durchgespielt wurden, sahen massive wirtschaftliche
Schocks in Europa vor: Für dieses und nächstes Jahr eine um 1,2
Prozent bzw. 1,3 Prozent schrumpfende Wirtschaft, für 2018 lediglich
0,7 Prozent Wachstum. Neu war, dass Rechtsrisiken einbezogen werden -
etwa Strafen, die Banken zahlen müssen. Allerdings wurden diese nicht
eigens veröffentlicht, sondern gemeinsam mit anderen als
«operationellen Risiken» veröffentlicht.

Wie ist das Ergebnis ausgefallen?

Insgesamt recht ordentlich. Dank massiver Kapitalaufstockungen sei
der Banken-Sektor in Europa als Ganzes recht stabil, erklärte die
EBA. Die neun deutschen Institute im Test erwiesen sich als
ausreichend ausgestattet, wenn auch in einigen Fällen nur knapp.
Besonders stark unter Druck gerieten die Commerzbank und die Deutsche
Bank, sie hielten sich aber noch über den zuvor von Analysten als
kritisch bezeichneten Marken. Die schwächste Kapitalquote wies im
Test wie erwartet die italienische Bank Monte dei Paschi auf. Sie
legte aber kurz vor Bekanntgabe der Stresstest-Ergebnisse einen
Rettungsplan vor. Spannend könnte noch werden, ob die größte
italienische Bank Unicredit nach einem bescheidenen Abschneiden im
Stresstest zu weiteren Kapitalmaßnahmen greift.

Was sind die Konsequenzen für die Banken?

Anders als beim Stresstest 2014 gab es von vornherein keine
Durchfaller. Die Aufseher verzichteten auf Vorgaben von
Kapitalquoten, die Banken erfüllen mussten. Stattdessen sollen die
Ergebnisse in die regelmäßige Bewertung von Geschäftsmodellen und
Risiken der Institute einfließen. Dabei legen die Behörden gegen
Jahresende individuelle Kapitalzuschläge fest und bestimmen zudem
darüber, wie viel Geld die Banken für Dividenden oder Zinsen auf
eigenkapitalähnliche Anleihen zahlen dürfen. Ist der Kapitalpuffer zu
gering, können die Aufseher etwa Dividendenausschüttungen an die
Aktionäre untersagen.

Schafft der Test neues Vertrauen in die Stabilität der Banken?

Das bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit überholte die Realität
des Öfteren die Testszenarien. Als Diagnose-Instrument sei der letzte
Stresstest aber durchaus erfolgreich gewesen, sagt der
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB),
Michael Kemmer. Danach sei bloß die Therapie unterlassen worden. Beim
Stresstest 2014 fielen neun italienische Banken durch. Aber dann
geschah lange nichts, um deren Misere zu beheben. Auch heute sagen
Kritiker wieder, der Stresstest habe nur begrenzt Aussagekraft über
die Stabilität der europäischen Banken. Und etwa die Folgen des
Brexit-Votums der Briten erfasste der aktuelle Test noch nicht.

Welche Kritik gibt es diesmal?

Es stieß vielen übel auf, dass nur das derzeit unrealistische
Szenario steigender Zinsen untersucht wurde, nicht aber die Folgen
weiter sinkender Zinsen. Doch gerade darunter leiden Banken, etwa
weil sie eigene Einlagen kaum noch rentierlich anlegen können und
ihre Zinsmarge bei vergebenen Krediten schwindet. Mancher wie der
Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel vermutet als Grund
Interessenkonflikte in der EZB. Denn wären Negativzinsen im Test
durchgespielt worden hätte dies zu einer schallenden Ohrfeige für die
Geldpolitik der Notenbank werden können. «Es war immer schon falsch,
die Doppelaufgabe Geldpolitik und Aufsicht auf die EZB zu
konzentrieren.»

Warum waren beim aktuellen Test zwei Aufsichtsbehörden beteiligt?

Die EZB ist seit November 2014 für die Bankenaufsicht in der Eurozone
zuständig und kontrolliert die 129 größten Institute direkt. Davon
nehmen an den aktuellen Tests aber nur 93 Institute teil. Die übrigen
waren erst kürzlich durchleuchtet worden wie die griechischen
Geldhäuser oder sind Tochterfirmen. Die EBA ist die oberste
Bankenaufsichtsbehörde der Europäischen Union und damit auch für
Banken in Nicht-Euro-Ländern wie Großbritannien verantwortlich.