Rotes Tuch EU-Armee: Europäer diskutieren Zukunft der Verteidigung Von Ansgar Haase, dpa

27.09.2016 18:15

Mit Rücksicht auf Großbritannien hat die EU jahrelang Pläne für ein
e
stärkere Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung zurückgestellt.
Nach dem Brexit-Referendum soll es nun endlich vorangehen. Doch
London will weiter Widerstand leisten.

Bratislava (dpa) - Über das, was am Ende stehen könnte, will niemand
reden. Kein einziges Mal habe sie in der Diskussion mit den
europäischen Verteidigungsministern das Wort «EU-Armee» gehört, sag
t
die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstag nach
Beratungen über die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik. Es
gehe derzeit lediglich darum, die Zusammenarbeit im Bereich der
Verteidigung mit umsetzbaren Schritten zu voranzubringen. Keinesfalls
wolle sich die EU dabei als Konkurrenz zur Nato positionieren.

Dass die EU-Chefdiplomatin so genau erläuterte, worum es bei den
aktuellen Planungen der EU nicht geht, hatte seinen Grund. Kurz vor
dem Beginn des Treffens sorgte wieder einmal Großbritannien für
Aufregung, indem es ankündigte, trotz des geplanten EU-Austritts an
seinem Widerstand gegen eine starke europäische Verteidigungsunion
festhalten zu wollen.

«Wir werden weiterhin gegen jede Idee einer EU-Armee oder eines
EU-Armeehauptquartiers sein», erläuterte Verteidigungsminister
Michael Fallon und warnte vor einem «Untergraben» der Nato. Das
transatlantische Militärbündnis müsse der Grundpfeiler der
europäischen Verteidigung bleiben.

Die Äußerungen des Briten sind brisant. Auch wenn es derzeit
keinerlei konkrete Vorschläge für eine EU-Armee gibt, streben Länder

wie Deutschland und Frankreich doch den Aufbau eines ständigen
europäischen Hauptquartiers für militärische und zivile
EU-Operationen an. Dieses könnte auch den Einsatz eines ebenfalls
angedachten EU-Sanitätskommandos oder einer gemeinsamen Plattform für
Militärlogistik erleichtern.

«Wenn man sich anschaut, wie viel Personal und Finanzen innerhalb der
Verteidigung in Europa vorhanden sind in 28 Staaten, aber wie wenig
wir untereinander koordiniert sind, so können wir deutlich besser
werden», kommentierte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der
Leyen (CDU) am Dienstag bei den Beratungen in Bratislava.

Für die EU bedeuten die Ankündigungen Großbritanniens, dass eine
Vertiefung der Sicherheits- und Verteidigungsunion bis zum Brexit
vermutlich nur über eine sogenannte «Ständige Strukturierte
Zusammenarbeit» (SSZ) möglich ist. Diese ermöglicht es einzelnen
EU-Staaten, enger zusammenarbeiten. Ein solches Vorgehen könnte
Großbritannien nur dann verhindern, wenn es andere EU-Staaten auf
seine Seite bringt, da die SSZ mit einer Mehrheitsentscheidung
beschlossen werden könnte.

Ob die britische Ablehnung der weitreichenden EU-Pläne wirklich in
der Sorge um einen Bedeutungsverlust der Nato begründet ist, ist
unterdessen unklar. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte am
Dienstag noch einmal klar, dass er neue EU-Projekte im Bereich der
Verteidigung befürwortet, solange sie einen praktischen Zusatznutzen
haben.

Von EU-Diplomaten hieß es, dass London möglicherweise vor allem einen
eigenen Bedeutungsverlust verhindern wolle. Der geplante EU-Austritt
werde das Vereinigte Königreich schließlich das Mitspracherecht in
der europäischen Verteidigungspolitik kosten. Deswegen könne die
britische Regierung daran interessiert sein, dass die Nato noch
stärker auch zur Plattform für europäische Zusammenarbeit werde.
Gegen die deutsch-französischen Vorschläge zur Vertiefung der
Kooperation könne hingegen eigentlich niemand ernsthaft etwas haben -
sie seien nur dann relevant, wenn sie doch zur Vorstufe für eine
europäische Arme würden.