EuGH bekräftigt Sonderstaus der Westsahara

21.12.2016 11:25

Die Westsahara ist seit Jahrzehnten ein Streitfall des Völkerrechts.
Marokko beansprucht das Gebiet, die Bewegung Polisario verlangt
Unabhängigkeit. Jetzt fällt der EuGH ein möglicherweise heikles
Urteil.

Luxemburg (dpa) - Der Europäische Gerichtshof hat den Sonderstatus
des von Marokko beanspruchten Gebiets Westsahara bekräftigt. Das
Handelsabkommen der Europäischen Union mit dem nordafrikanischen
Königreich gelte nicht für das seit Jahrzehnten umstrittene
Territorium, entschieden die Luxemburger Richter am Mittwoch. Mit
dieser Begründung wies der EuGH eine Klage der Gruppe Polisario gegen
den Vertrag ab und hob ein Urteil der Vorinstanz auf.

Die Entscheidung könnte diplomatisch heikel werden, weil Marokko die
ehemalige spanische Kolonie Gebiet als seine «südliche Provinzen»
ansieht und auch zum größten Teil kontrolliert. Die Polisario setzt
sich dagegen seit Jahrzehnten für die Unabhängigkeit ein.

Der EuGH verwies in seinem Urteil auf den durch die Vereinten
Nationen eingeräumten «gesonderten und unterschiedlichen Status» der

Westsahara. Der in dem EU-Handelsabkommen verwendete Ausdruck «Gebiet
des Königreichs Marokko» könne auch wegen des Grundsatzes der
Selbstbestimmung der Völker «nicht dahin ausgelegt werden, dass er
die Westsahara umfasst».

Daraus ergibt sich aus Sicht des Gerichts: Der EU-Vertrag gilt nicht
für die Westsahara, die Polisario ist somit nicht betroffen und kann
auch nicht dagegen klagen. Der von der Polisario angefochtene
EU-Beschluss zur Billigung des Abkommens, mit dem der Handel von
Agrarprodukten zwischen EU und Marokko vereinfacht werden soll, hat
also Bestand.

Dass Vorschriften des Vertrags «de facto« auf Erzeugnisse der
Westsahara angewendet werden, ändert daran aus Sicht des Gerichts
nichts: Es sei nicht erwiesen, «dass diese Praxis auf einer
Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Änderung der Auslegung

des räumlichen Geltungsbereichs» beruhe.

Das EU-Gericht hatte 2015 noch anders entschieden und der Klage von
Polisario stattgegeben. Im Frühjahr hatte UN-Generalsekretär Ban Ki
Moon in Marokko wütende Proteste ausgelöst, weil er im Zusammenhang
mit der marokkanischen Präsenz auf dem Territorium das Wort
«Besatzung» verwendet hatte.