Polen gibt im Streit mit EU-Kommission nicht nach

20.02.2017 20:01

Im Streit um das polnische Verfassungsgericht bleibt Warschau stur.
Das Problem sei gelöst, argumentiert die Regierung und scheint
Forderungen der EU-Kommission abermals nicht nachzukommen. Brüssel
könnte nun schärfere Maßnahmen ergreifen.

Warschau (dpa) - Polen lenkt im Streit mit der EU-Kommission über die
Unabhängigkeit seines Verfassungsgerichts nicht ein. Es gebe keine
Grundlage für die Behauptung, in Polen sei die Rechtsstaatlichkeit
bedroht, teilte das Außenministerium am Montag in Warschau mit. Aus
polnischer Sicht sei das Problem mit der Wahl der neuen
Gerichtsvorsitzenden sowie Nachbesserungen der Justizreform im
Dezember gelöst worden. Die demokratische Ordnung aufrechtzuerhalten
sei Warschaus oberstes Ziel, wehrte sich die nationalkonservative
Regierung gegen Vorwürfe Brüssels. Die EU-Kommission wollte die
Äußerungen aus Warschau auf Anfrage zunächst nicht kommentieren.

Sie hatte vor gut einem Jahr ein Prüfverfahren gegen Polen
eingeleitet, weil sie die Rechtsstaatlichkeit in dem Mitgliedsland in
Gefahr sieht. Reformen der Regierungspartei PiS hätten das
Verfassungsgericht als Kontrollorgan eingeschränkt, argumentierte die
Brüsseler Behörde und forderte Korrekturen. Sie setzte im Dezember
erneut eine Frist, die am Dienstag abläuft.

Ein erstes Ultimatum war bereits im Oktober erfolglos verstrichen.
Damals wies Warschau Forderungen Brüssels als «ungerechtfertigt»
zurück. Auch jetzt sah sich Polen insbesondere durch Kritik von
Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, der Sorge um Polens
Demokratie geäußert hatte, zu unrecht attackiert. Mit seinen
politisch motivierten Äußerungen habe er Polen angeprangert, warf das
Außenministerium ihm vor. Dies sei ein eindeutiger Verstoß gegen
Prinzipien von Objektivität, Subsidiarität und Respekt vor der
Souveränität. «Wir appellieren an den Vizevorsitzenden der
Europäischen Kommission damit aufzuhören», forderte die polnische
Regierung.

Um den Konflikt zu entschärfen, hatte die Partei Recht und
Gerechtigkeit PiS das umstrittene Gesetz zwar mehrfach nachgebessert,
war bei entscheidenden Forderungen Brüssels aber uneinsichtig
geblieben. So wollen die Nationalkonservativen nicht von der
nachträglichen Wahl dreier Verfassungsrichter abrücken, mit denen sie
Kandidaten der Vorgängerregierung ersetzten. In einem Urteil in
eigener Sache hatte das Tribunal die Wahl der Juristen für
verfassungswidrig erklärt. Die PiS will diese Entscheidung aber nicht
anerkennen - ein weiterer Kritikpunkt Brüssels.

Aus Protest hatte Polens bisheriger Gerichtsvorsitzender Andrzej
Rzeplinski die sogenannten «Doppelgänger-Richter» nicht urteilen
lassen. Doch nach dem Ende seiner Amtszeit im Dezember ließ die neue
Gerichtsvorsitzende Julia Przylebska die Juristen ins Amt. Sie war
2015 durch Stimmen der PiS in das Gericht gewählt worden, Kritiker
werfen ihr Regierungsnähe vor. Zudem sei Przylebskas Wahl zur
Vorsitzenden durch Reformen der PiS begünstigt worden, heißt es. Dies
warf bei der EU-Kommission weitere Fragen auf.

Sie gab Polens Nationalkonservativen bis zum 21. Februar Zeit, die
Justizreform zu ändern. Da die PiS sich weiter uneinsichtig zeigt,
könnte Brüssel nun die Anwendung von Artikel 7 der EU-Verträge
vorschlagen. Dieser sieht vor, dass bei einer «schwerwiegenden und
anhaltenden Verletzung» der im EU-Vertrag verankerten Werte einem
Mitgliedsland in letzter Konsequenz auch die Stimmrechte entzogen
werden können.