Kritik an Chinas «Einmischung» in Hongkong - Opposition demonstriert

24.03.2017 15:26

Auch 20 Jahre nach der Rückgabe an China warten die Hongkonger
vergeblich darauf, ihren Regierungschef selbst wählen zu können.
Tausende demonstrieren für den populären Oppositionskandidaten Tsang.

Hongkong (dpa) - Vor der gelenkten Wahl des neuen Regierungschefs in
Hongkong haben Tausende für den beliebten, aber wohl chancenlosen
Kandidaten und ehemaligen Finanzminister John Tsang demonstriert. Auf
einer Kundgebung am Freitag äußerte der 65-Jährige die Hoffnung, dass

das mehrheitlich Peking-treue Wahlkomitee am Sonntag dem Ruf seiner
Anhänger folgen und ihn doch noch wählen werde. «Wir sind hier für

ein geeintes, schöneres Hongkong versammelt.»

Kritiker warfen der kommunistischen Führung in Peking «unverhohlene
Einmischung» vor, indem stattdessen deren Wunschkandidatin, die
bisherige Verwaltungschefin Carrie Lam (59), in das Spitzenamt der
chinesischen Sonderverwaltungsregion gehoben werden soll. Der
65-jährige Tsang genießt dagegen nach Umfragen die meiste
Unterstützung im Volk und hat die demokratische Opposition hinter
sich.

Zweieinhalb Jahre nach der «Regenschirm-Revolte» für mehr Demokratie

verweigert Peking der früheren britischen Kronkolonie weiter freie
Wahlen und die Auswahl der Kandidaten. In dem 1200 Mitglieder
zählenden Wahlkomitee, das den Regierungschef bestimmt, sitzen
Geschäftsleute und Interessengruppen, die von guten Beziehungen zu
China profitieren und den Erwartungen nach der Vorgabe aus Peking
folgen dürften. Auch der dritte Kandidat, Richter Woo Kwok Hing (71),
scheint daher keine Chance zu haben.

Kritiker warnen vor neuen Spannungen, nachdem die Demokratiebewegung
schon 2014 Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole
lahmgelegt und eine Regierungskrise ausgelöst hatte. Der scharf
kritisierte, bisherige Regierungschef Leung Chun-ying (62) tritt nach
einer Amtszeit auch nicht wieder an. «Unter Carrie Lam wird es
definitiv noch schlimmer», warnte der führende Oppositionspolitiker
Alan Leong.

Die frühere Verwaltungschefin Anson Chan äußerte sich enttäuscht,
dass Peking sein Versprechen nicht einhält, die sieben Millionen
Hongkonger endlich selbst wählen zu lassen. Die 77-jährige «Eiserne
Lady Hongkongs» hatte sowohl dem vergangenen britischen Gouverneur
als auch nach 1997 dem ersten Regierungschef unter Chinas
Souveränität gedient. Chan warnte vor wachsendem Druck Chinas, der
freiheitliche Grundwerte und die Unabhängigkeit der Justiz in
Hongkong unterhöhle.

Aus Rücksicht auf seine Wirtschaftsinteressen in China schweige heute
aber selbst Großbritannien. «Sie haben eine moralische und rechtliche
Verpflichtung, «Ein Land, zwei Systeme» zu verteidigen», sagte Chan
zu dem Grundsatz in der verbindlichen Gemeinsamen Erklärung für die
Rückgabe, wonach Hongkong ein hohes Maß an Autonomie genießt. «Sie

scheinen vergessen zu haben, dass es keine chinesische Erklärung ist,
sondern von Großbritannien und China gemeinsam unterzeichnet wurde.»

Auch die Deutschen und andere Europäer müssten gegenüber Peking für

freiheitliche Rechte in Hongkong und China eintreten. «Sonst finden
sie eines Tages heraus, dass ihre Grundwerte durch chinesische
ersetzt werden», warnte Chan.

Die Wahl findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt, da
Proteste erwartet werden. Der junge Aktivist Joshua Wong kündigte
«zivilen Ungehorsam» an. «Straßenaktionen sind weiter einer der
wichtigsten Faktoren, um in Hongkong Demokratie zu erreichen», sagte
der 20-Jährige.