Deutschland unterstützt Macrons Osteuropa-Schelte

22.06.2017 18:51

«Europa ist kein Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!»
Frankreichs neuer Präsident hat zu seiner Gipfelpremiere deutliche
Worte in Richtung Osteuropa gesprochen. Er bekommt Beifall und
Gegenwind.

Brüssel/Warschau (dpa) - Für seine Kritik an der Einstellung einiger
osteuropäischer Länder zur EU hat Frankreichs neuer Präsident
Emmanuel Macron auf seinem ersten EU-Gipfel Rückendeckung aus
Deutschland bekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte die
scharfen Worte Macrons ausdrücklich. «Es ist heute nicht der Tag de
r
Drohungen, aber es muss permanent gesprochen werden», sagte sie am
Donnerstag beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

Macron hatte einige Länder ungewöhnlich deutlich gerügt, ohne sie
beim Namen zu nennen. «Manche politische Führer aus Osteuropa»
offenbarten eine zynische Herangehensweise gegenüber der EU, sagte er
der «Süddeutschen Zeitung» und anderen Medien. «Die dient ihnen d
azu,
Geld zu verteilen - ohne ihre Werte zu respektieren. Europa ist kein
Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!».

Merkel betonte, die Europäische Union sei eine «Wertegemeinschaft».

Sie unterstützte auch die Entscheidung der EU-Kommission, wegen
mangelnder Solidarität in der Flüchtlingspolitik gegen Polen, Ungarn
und Tschechien Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

Aus den gescholtenen Ländern bekam Macron kräftig Gegenwind. Mit
Blick auf Macron sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban
beim Gipfel: «Sein Einstand war wenig ermutigend.» Macron habe
gedacht, die beste Art der Freundschaft sei, diese Länder zu treten.
«Das ist hier nicht die Norm. Aber ich denke, er wird sich
zurechtfinden.» Macron komme zum ersten Mal zu einem Gipfel. «Wir
werden ihn uns ansehen, wir werden ihn kennenlernen», so Orban.

Auch Warschau reagierte gereizt: Der Erhalt von EU-Geldern
verpflichte Polen nicht, auf die EU zu hören und so viele Flüchtlinge
aufzunehmen, wie die Gemeinschaft verlange, sagte Krzysztof Lapinski,
Sprecher von Polens Präsident Andrzej Duda, der Agentur PAP zufolge.
Polen gilt als strikter Gegner der von der EU beschlossenen
Umverteilung von Flüchtlingen.

Der tschechische Präsident Milos Zeman äußerte sich zwar nicht direkt

zu Macron, kritisierte aber die EU-Flüchtlingsquoten scharf. Er
verglich die EU in dem Zusammenhang mit dem Warschauer Pakt. «Ich
sehe bestimmte Ähnlichkeiten zwischen der Doktrin der beschränkten
Souveränität, wie sie Leonid Iljitsch Breschnew geprägt hat, und dem

Begriff der geteilten Souveränität, wie ihn die EU verwendet», sagte

der 72-Jährige der Agentur CTK zufolge.

Wegen der mangelnden Bereitschaft Migranten aufzunehmen, leitete die
EU-Kommission kürzlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen,
Tschechien und Ungarn ein.