Migration: EU-Gipfel hofft auf Libyen - Ratlosigkeit bei Asylreform

23.06.2017 18:07

Eigentlich wollten die EU-Staaten sich längst einig sein über die
Reform des Asylsystems. Das wurde nichts. Aber bei der Abschottung
nach außen ist man einer Meinung. Ungarns Ministerpräsident Orban
bringt den Stand der Diskussion auf den Punkt.

Brüssel (dpa) - Um den Zustrom von Migranten über das Mittelmeer zu
stoppen, will die EU die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern stärker
vorantreiben. «Das einzige Ergebnis, das für uns wirklich zählt, ist

ein definitives Ende dieser tragischen Situation», sagte
EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag nach Ende des EU-Gipfels in
Brüssel.

So soll die europäische Grenz- und Küstenwache weiter ausgebaut sowie

die Arbeit an einer EU-Liste sicherer Drittstaaten verstärkt werden.
Das sind Länder, die als sicher genug eingestuft werden, um Migranten
dorthin zurückzuschicken. Dazu sollen Rückübernahmeabkommen
abgeschlossen werden, «unter Nutzung aller verfügbaren Hebel», wie es

in der Schlusserklärung heißt: Die Eliten in Ländern, die nicht
mitziehen, sollen schwieriger an europäische Visa kommen. Zudem will
die EU weiter beim Aufbau der Küstenwache im Bürgerkriegsland Libyen

helfen.

Bei Amnesty International stößt diese Kooperation auf heftige Kritik.
«Trotz der bekannten schweren Menschenrechtsverletzungen unterstützt
die EU eine Küstenwache, die Menschen wieder in eine Hölle aus
Gewalt, Misshandlungen und Vergewaltigungen zurückbringt»,
kommentierte der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation in
Deutschland, Markus Beeko. Die Sicherheit der Migranten sei in dem
Land nicht gewährleistet, Menschen würden vielmehr in Haftzentren
gebracht.

Während bei der sogenannten externen Dimension der Asylpolitik, also
der Abschottung Europas nach außen, Einigkeit herrschte, kam die
festgefahrene Reform des europäischen Asylsystems nach Angaben von
EU-Diplomaten kaum zur Sprache. Eine faire Verteilung unter den
EU-Ländern bleibe aber wichtiger Teil der europäischen Solidarität,
sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer gemeinsamen
Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel
Macron. «Ich werde nicht aufhören, darüber zu sprechen», versprac
h
sie. Vor allem müsse man sich in die Lage von Italien und
Griechenland versetzen, wo viele der Flüchtlinge zuerst ankommen.

Macron stellte sich erneut mit klaren Worten hinter die
Flüchtlingspolitik Merkels. «Wir müssen Flüchtlinge aufnehmen, weil

das unsere Tradition ist und weil uns das zu Ehren gereicht», sagte
er. «Wir müssen Solidarität zeigen, wenn ein Nachbar mit einem
enormen Zustrom an Flüchtlingen oder Migranten konfrontiert ist.»
Eigentlich hatten sich die Staaten beim EU-Gipfel im Dezember
vorgenommen, in der ersten Jahreshälfte 2017 Einigkeit bei der
Asylreform zu erzielen.

Vor allem osteuropäische Länder widersetzen sich der Aufnahme von
Flüchtlingen, obwohl die Verteilung in der EU beschlossen worden war.
Einer der schärfsten Kritiker der innereuropäischen
Flüchtlingsverteilung, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, zeigte
sich zufrieden mit dem Verlauf des Gipfels: «Wir haben heute nicht
über Fragen gesprochen, von denen wir genau wissen, dass wir uns da
nicht einig sind», sagte er. Einige Länder dürften unmöglich über
die
Identität anderer Länder entscheiden. 

«Allzu große Hoffnungen» auf ein Einlenken der Umverteilungsgegner
mache er sich nicht, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit
Blick auf Länder wie Ungarn, Polen und Tschechien. Man werde aber
nicht aufgeben. «160 000 Leute in Europa umzuverteilen, das ist 0,035
Prozent der Gesamtbevölkerung. Das muss Europa schaffen», sagte er.