Showdown in Brüssel - Was passiert mit dem Mittel Glyphosat? Von Bettina Grachtrup und Alkimos Sartoros, dpa

09.11.2017 13:35

Es geht um einen Milliardenmarkt und um die Gesundheit von Menschen,
Tieren und Ökosystemen: Der Unkrautvernichter Glyphosat ist hoch
umstritten. Die EU-Länder ringen um eine Verlängerung der Zulassung.

Brüssel (dpa) - Die Zukunft des umstrittenen Unkrautvernichters
Glyphosat in Europa bleibt ungewiss. Ein Ende des Zulassungszeitraums
naht - es sei denn, die EU-Länder können sich doch noch dazu
durchringen, die Lizenz zu verlängern. Ein Überblick:

Worum geht es?

Die Zulassung für den Unkrautvernichter Glyphosat läuft Mitte
Dezember aus. Wird sie nicht erneuert, darf Glyphosat ab 2018 in
Europa nicht mehr auf den Markt kommen. Am Donnerstag gab es in dem
zuständigen Expertengremium der EU-Länder nicht die nötige Mehrheit
für eine Verlängerung der Lizenz. Nun geht die Sache ins
Vermittlungsverfahren. Notfalls kann die EU-Kommission selbst
entscheiden. Die Brüsseler Behörde hat bislang klargemacht, dass sie
für eine Verlängerung der Zulassung breiten Rückhalt der EU-Staaten
haben will. Der Wirkstoff wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt,
den der deutsche Konkurrent Bayer übernehmen will. Glyphosathaltige
Mittel werden zudem von mehr als 40 weiteren Herstellern vertrieben.

Was ist die Position der EU-Kommission?

Die EU-Kommission wollte ursprünglich eine Verlängerung der Lizenz um
zehn Jahre. Dafür bekam sie aber keine Unterstützung. Auch der neue
Vorschlag für eine Verlängerung um fünf Jahre fiel am Donnerstag
durch. Die EU-Kommission verweist zugleich darauf, dass nach einer
europäischen Zulassung auch jedes Mitgliedsland noch selbst
entscheiden und bei ernsten Bedenken die Lizenz verweigern kann.

Wie ist die deutsche Haltung?

Deutschland steckt mitten in der Bildung einer neuen Bundesregierung.
Die Grünen, die an einer möglichen Jamaika-Koalition beteiligt wären,

stehen einer Verlängerung der Zulassung sehr kritisch gegenüber. Aber
auch die bisherige schwarz-rote Bundesregierung war in der Frage
uneins und hat sich zuletzt im Kreis der EU-Länder enthalten. Denn
das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium war für und das
SPD-geführte Umweltministerium gegen eine weitere Zulassung.

Welche Vorschläge liegen auf dem Tisch?

Neben dem Vorschlag der EU-Kommission für eine fünfjährige
Verlängerung plädiert Frankreich für eine Verlängerung um drei Jahr
e,
wie Umweltminister Nicolas Hulot am Mittwoch sagte.

Warum ist Glyphosat so umstritten?

Der Unkrautvernichter ist zwar sehr wirksam, gilt als preiswert und
wird weltweit genutzt. Denn Glyphosat ist ein Total-Herbizid, das auf
sämtliche grüne Pflanzen wirkt. Es hat damit ein so breites Spektrum
wie kaum ein anderer Herbizid-Wirkstoff. Glyphosat steht aber auch im
Verdacht, Krebs zu erregen und die Umwelt zu schädigen. Nach Angaben
des Umweltbundesamtes sinkt mit der vollständigen Vernichtung aller
Kräuter und Gräser auf Ackerflächen die Zahl der Pflanzen. Damit wird

Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage entzogen.
Andererseits gehen Experten davon aus, dass ohne eine weitere
Glyphosat-Zulassung ein Preisanstieg bei Lebensmitteln droht.

Was sagt die Wissenschaft zum Krebsrisiko?

Die ist sich uneins. Die Internationale Krebsforschungsagentur der
Weltgesundheitsorganisation stufte Glyphosat 2015 als «wahrscheinlich
krebserregend» für Menschen ein. Die Lebensmittelbehörden Efsa und
die Chemikalienagentur Echa kamen aber zu dem Ergebnis, dass die
verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine solche
Einstufung nicht ausreichten. Umweltschützer zweifeln allerdings die
Aussagekraft der zugrundeliegenden Studien an.