Antwort auf Trump: EU-Staaten gründen Verteidigungsunion Von Ansgar Haase, dpa

13.11.2017 17:09

Mit der Gründung einer europäischen Verteidigungsunion wollen sich 23
EU-Staaten unabhängiger von den USA machen. Schwächt das Projekt die
Nato? Es zeichnet sich ein Drahtseilakt ab.

Brüssel (dpa) - Jens Stoltenberg gab sich sichtlich Mühe, die
möglichen Vorteile des historischen Projekts für die Nato
herauszustreichen. Er freue sich darüber, dass sich so viele
EU-Staaten zu einer engen militärischen Zusammenarbeit verpflichtet
hätten, ließ der Generalsekretär der Nato am Montagmittag wissen.
Eine stärkere europäische Verteidigung stärke schließlich nicht nur

Europa, sondern auch die Nato. Dafür müsse lediglich sichergestellt
werden, dass alle EU-Truppen und alle neuen Fähigkeiten auch von der
Nato genutzt werden könnten. «Was wir nicht gebrauchen können sind
Doppelstrukturen und Konkurrenzkampf», sagte Stoltenberg.

Wer sich ansieht, was die EU mit dem am Montag aus der Taufe
gehobenen Projekt bezweckt, kann allerdings Zweifel daran bekommen,
ob der Startschuss für eine europäische Verteidigungsunion
langfristig wirklich zu einer Stärkung der von den USA dominierten
Nato führt.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen machte am Rande
unmissverständlich klar, dass es auch um eine Reaktion auf die
Politik von US-Präsident Donald Trump geht, der vor allem zu Beginn
seiner Amtszeit immer wieder Zweifel daran geweckt hatte, ob die USA
im Ernstfall wirklich die europäischen Alliierten unterstützen
würden.

«Es war für uns wichtig - gerade nach der Wahl des amerikanischen
Präsidenten (Donald Trump) - uns eigenständig aufzustellen», sagte

die CDU-Politikerin. «Wenn es eine Krise gibt in unserer
Nachbarschaft, müssen wir handlungsfähig sein.»

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wurde sogar noch deutlicher.
Natürlich sei die neue Verteidigungsunion nicht gegen die Nato
gerichtet, aber man müsse schon feststellen, «dass die amerikanische
Außenpolitik zur Zeit ein wenig undurchsichtbar ist», kommentierte er
spitz und mit spezieller Wortwahl. «Die Europäische Union kann nun
ihre Autonomie unter Beweis stellen», bemerkte der französische
Außenminister Jean-Yves Le Drian.

Für die Nato könnte dies Folgen haben. Denn auch wenn es niemand
offen ausspricht: Autonom wird die EU natürlich nur dann agieren
können, wenn sie eigene Strukturen und Fähigkeiten aufbaut.
Angesichts von begrenzten Ressourcen stellt sich zudem die Frage, ob
die Nato künftig noch auf genauso große finanzielle und personelle
Unterstützung der EU-Staaten zählen kann wie in der Vergangenheit.

Mit dem Beitritt zur europäischen Verteidigungsunion verpflichten
sich die bislang 23 Länder nämlich, sich intensiv am geplanten
europäischen Verteidigungsfonds zu beteiligen. Über ihn sollen noch
vor Ende des Jahrzehnts erste gemeinsame Rüstungsprojekte finanziert
werden.

Wie sinnvoll das ist, zeigt die aktuelle Situation. Für bestimmte
Hubschrauberprogramme gibt es in Europa mehr Hubschraubertypen als
Staaten, die Hubschrauber kaufen könnten. 17 Typen von
unterschiedliche Kampfpanzern in der EU steht nur einer in den USA
gegenüber. Die durch mangelnde Kooperation entstehenden «Kosten»
werden von der EU-Kommission auf eine Summe zwischen 25 und 100
Milliarden Euro geschätzt - pro Jahr.

Um in Zukunft Geld sparen zu können, muss allerdings erst einmal
investiert werden. Deutschland und die an der Verteidigungsunion
teilnehmenden Staaten verpflichten sich deshalb auch darauf, ihre
Wehretats regelmäßig zu erhöhen.

Ein interessanter Seitenaspekt: Obwohl die Bundesregierung seit
Oktober nur noch geschäftsführend im Amt ist, blieb ein lauter
Aufschrei der an den laufenden Sondierungsgesprächen beteiligten
Grünen aus. Sie standen größeren Erhöhungen der Verteidigungsausgab
en
bislang eigentlich sehr kritisch gegenüber.

Deutliche Kritik kam dafür von den Linken. Die Unterzeichnung durch
die Bundesregierung sei «friedenspolitisch unverantwortlich und ohne
Entscheidung des Bundestages zudem ein Verstoß gegen die Maßgaben des
Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon», kritisierte die
Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht.

Freuen kann sie allerdings, dass die Teilnehmerstaaten der
Verteidigungsunion der Nato nicht versprechen, ihre neuen Fähigkeiten
im Ernstfall zur Verfügung zu stellen. Im Gründungsdokument heißt es

lediglich sehr allgemein und unverbindlich: «Die Verbesserung der
Verteidigungsfähigkeit wird auch für die Nato nützlich sein.»