EU warnt vor dramatischen Gefahren durch resistente Keime

15.11.2017 14:59

Die Entwicklung von Antibiotika war der große Durchbruch für die
Medizin - sie helfen bei Infektionen, die sonst bisweilen tödlich
enden würden. Aber was, wenn die Arzneien nichts mehr nützen?

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission warnt eindringlich vor der Zunahme
gefährlicher Erreger, gegen die gleich mehrere Antibiotika nicht mehr
wirken. «Angesichts von 25 000 Toten pro Jahr und 1,5 Milliarden Euro
an Gesundheitskosten und Produktionseinbußen in der EU, brauchen wir
eine robuste Informationskampagne mehr denn je», erklärte
Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis am Mittwoch. Anlass war der
zehnte europäische Antibiotika-Aktionstag.

Da Keime zunehmend sogar gegen Reserve-Antibiotika resistent seien,
drohe eine Zukunft, in der große Operationen oder Organverpflanzungen
nicht mehr möglich sein könnten. Im Jahr 2050 könnte dies alle drei
Sekunden einen Menschen töten und damit mehr als Krebs, hieß es
weiter. Diese «unvorstellbare Zukunft» müsse abgewendet werden.

Wie das Europäische Präventionszentrum ECDC mitteilte, nahmen
sogenannte Multiresistenzen zwischen 2013 und 2016 unter anderem bei
dem weit verbreiteten Darmkeim Escherichia coli zu. Ähnliche Trends
melden die Wissenschaftler für Acinetobacter-Stämme in Süd- und
Südosteuropa und im Baltikum. Die Entwicklung sei besorgniserregend,
weil es für Patienten, die mit solchen Keimen infiziert sind, kaum
noch Behandlungsoptionen gebe.

Gleichwohl sehen die Wissenschaftler auch Lichtblicke. Bei dem weit
verbreiteten Bakterium Klebsiella pneumoniae, das Atem- und
Harnwegserkrankungen auslösen kann, stabilisiere sich die Lage. Und
bei Staphylococcus aureus, der ebenfalls für schwerwiegende
Krankheiten bis hin zu Lungenentzündung und Blutvergiftung
verantwortlich ist, sei der Anteil der multiresistenten Keime
zwischen 2013 und 2016 weiter zurückgegangen. Man sehe inzwischen
kleine Fortschritte, erklärte ECDC-Direktorin Andrea Ammon.

Als Ursache von Resistenzen gilt, dass bakterienbekämpfende
Antibiotika zu häufig und oft falsch eingesetzt werden. Durch
Genmutationen entwickeln sich die Keime so weiter, dass ihnen die
Medikamente nichts mehr anhaben können. Multiresistent heißt, dass
mehrere unterschiedliche Mittel nicht mehr wirken, in einigen Fällen
sogar fast keine der verfügbaren Antibiotika.

Wissenschaftler mahnen deshalb seit Jahren, die Mittel nur sparsam
und gezielt einzusetzen und nicht etwa flächendeckend zur Vorbeugung
in der Viehzucht. Patienten wird geraten, Antibiotika wie verordnet
bis zum Schluss zu nehmen, um bei einer Krankheit wirklich alle
schädlichen Bakterien abzutöten.