EU-Afrika-Gipfel: Hinweise auf Sklavenhandel setzen EU unter Druck

29.11.2017 21:25

Eigentlich sollte es um die Zukunftsperspektiven für die Jugend
Afrikas gehen. Doch dann beherrscht die dramatische Situation von
Migranten in Libyen in Diskussion.

Abidjan (dpa) - Hinweise auf Sklavenhandel mit Migranten in Libyen
setzen Deutschland und die EU zunehmend unter Handlungsdruck. Es
müsse verhindert werden, dass Migranten «auf schrecklichste Weise in
Lagern» gehalten oder sogar «gehandelt» würden, sagte Bundeskanzler
in
Angela Merkel am Mittwoch bei einem EU-Afrika-Gipfel in dem
westafrikanischen Land Elfenbeinküste. Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron brachte sogar einen möglichen Militäreinsatz ins Spiel.

«Es geht nicht darum, heute zu sagen, dass wir den Krieg erklären
werden», erklärte Macron in einem Interview. Ein kurzfristig
angesetztes Krisentreffen am Rande des Gipfels ziele aber darauf ab,
«konkrete militärische und polizeiliche Aktionen vor Ort zu starten».


Für die EU sind die Berichte über Vergewaltigungen, Sklaverei und
Folter in Libyen hochbrisant. Sie hatte die dortigen Verantwortlichen
zuletzt dazu gebracht, die Mittelmeerküste des Landes wieder zu
kontrollieren. Seitdem schaffen es Schlepperbanden deutlich seltener,
Migranten aus anderen Teilen Afrikas auf den Weg nach Europa zu
bringen - mit der Folge, dass die Menschen in Libyen festsitzen.
Zugleich sorgen Machtkämpfe in Libyen aber weiter dafür, dass
Migranten Opfer von Verbrechern werden können.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wirft der EU vor, mit der
Unterstützung für den Wiederaufbau der libyschen Küstenwache eine
menschenfeindliche Politik zu verfolgen. Es sei seit Monaten bekannt,
dass an der Flucht gehinderte Migranten in Libyen in die
«Internierungslager» gesteckt und aufgebeutet würden.

Ob, und wenn ja, wie die Lage in Libyen auch ohne ein Eingreifen von
Außen verbessert werden könnte, blieb zunächst offen. Merkel, Macron

und andere Gipfelteilnehmer wollten Einfluss auf den libyschen
Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch nehmen, die Lager für
Hilfsorganisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die
Internationale Organisation für Migration (IOM) zu öffnen. Sarradsch
hat allerdings weiterhin nur auf einen kleinen Teil des Landes
Einfluss.

In bestimmten humanitären Notfällen sollten einzelne Menschen künftig

auch in Europa aufgenommen werden können, sagte Merkel. Grundsätzlich
solle jedoch gelten: «Wenn Du illegal mit Hilfe von Schleppern nach
Europa zu kommen versuchst, dann hast Du keine Chance.»

Gegenüber einem Vorstoß von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD),
jährlich mehrere Hunderttausend junge Afrikaner zur Ausbildung nach
Europa zu holen, äußerte sie sich skeptisch. «Ich bin da erstmal
etwas zurückhaltender», sagte Merkel. Wenn man ins Auge fasse, mit
einzelnen Ländern Abkommen zu schließen, müsse zunächst die Nachfra
ge
abgewartet werden. «Ich denk' nicht gleich in Hunderttausenden.» Sie
wolle sich nicht auf Zahlen festlegen. «Lassen Sie uns einfach mal
starten, dann wäre schon viel gewonnen.»

Der zweitägige Gipfel in der Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste
wollte sich eigentlich vor allem mit der Frage beschäftigen, wie die
Zukunftsperspektiven für junge Afrikaner verbessert werden können.
Bis 2050 soll sich die Bevölkerung auf rund 2,5 Milliarden Menschen
verdoppeln. Das bedeutet, dass zusätzlich Hunderte Millionen junge
Afrikaner Essen, Bildung und vor allem ein Einkommen brauchen.

Wenn sich die Lage nicht deutlich bessert, wird Europa nach
Einschätzung von Experten auf Jahrzehnte mit nach Europa strebenden
Migranten konfrontiert sein. «Wir reden hier nicht über Tausende,
Hunderttausende, die migrieren wollen, sondern über Millionen oder
zehn Millionen oder noch mehr», sagte der Afrika-Beauftragte der
Kanzlerin, Günter Nooke.