Rückschlag für die Brexit-Verhandlungen

04.12.2017 19:30

Kurz sah es nach einem Kompromiss bei den Verhandlungen über den
britischen EU-Austritt aus - aber dann kam wieder alles anders. Am
Ende heißt es wieder: Noch kein Deal.

Brüssel/London (dpa) - Beim Brexit ist Großbritannien und der EU am
Montag trotz angebahnter Kompromisse kein Durchbruch gelungen. Dies
teilten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und
Premierministerin Theresa May nach mehrstündigen Gesprächen mit.
Hintergrund war nach EU-Angaben Widerstand in Großbritannien gegen
vorgeschlagene Lösungen. Dort stellt sich Mays Regierungspartner
quer, die nordirische DUP. Brexit-Hardliner forderten Mays Rücktritt.

Trotzdem wollen beide Seiten unter zunehmendem Zeitdruck versuchen,
in den nächsten Tagen doch noch eine Einigung zu schaffen. Dann
könnte der EU-Gipfel nächste Woche wie geplant die zweite
Verhandlungsphase einläuten, meinte Juncker. Die Zeit dafür werde
jetzt aber sehr knapp, erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk auf
Twitter. Noch in dieser Woche solle es ein weiteres Spitzentreffen
geben, sagten EU-Beamte.

Unterhändler versuchen seit Monaten, zunächst die wichtigsten
Trennungsfragen vor dem für 2019 geplanten EU-Austritt des
Vereinigten Königreichs zu klären. Danach sollen in der zweiten
Verhandlungsphase die künftigen Beziehungen besprochen werden, vor
allem über einen Handelspakt und eine mehrjährige Übergangsphase, die

Folgen des Brexits für die Wirtschaft abpuffern soll.

Hauptstreitpunkt am Montag war nach EU-Angaben die Frage, wie
Grenzkontrollen zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen
Nordirland vermieden werden können. Irland pocht auf schriftliche
Garantien. In Vorgesprächen war eine Kompromissformel gefunden
worden, wonach in Nordirland auf Dauer ähnliche Regeln gelten sollten
wie im EU-Land Irland.

Die nordirische DUP lehnt jegliche Sonderregelungen für Nordirland
beim Brexit jedoch ab. «Nordirland muss die EU unter den gleichen
Bedingungen verlassen wie der Rest Großbritanniens», erklärte sie am

Montagnachmittag in Belfast, noch während May und Juncker in Brüssel
sprachen.

Gleichzeitig kam aus Schottland und Wales die Forderung, wenn
Nordirland weiter die Vorteile des Binnenmarkts genieße, dann wolle
man diese auch behalten. Auch der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan
schlug auf Twitter vor, die britische Hauptstadt trotz Brexits im
Europäischen Binnenmarkt und in der Zollunion zu halten.

Angesichts der Widerstände konnten sich May und Juncker dann doch
nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. «Dazu werden weitere
Konsultationen, weitere Verhandlungen und weitere Diskussionen nötig
sein», sagte Juncker. May sagte aber, man habe große Fortschritte
gemacht und sei sich einig, dass man gemeinsam weiter vorangehen
wolle.

Der irische Regierungschef Leo Varadkar äußerte sich überrascht und
enttäuscht. «Wir hatten eine Vereinbarung heute Morgen», sagte er.
Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte: «Das Scheitern des Brexit-Deals ist
das Ergebnis der schmutzigen Vereinbarung zwischen May und der DUP.»

Bewegung hatte es vorher bei den beiden anderen Tophemen der ersten
Verhandlungsphase gegeben: Bei den künftigen Rechten der 3,2
Millionen EU-Bürger in Großbritannien und bei der Schlussrechnung
Großbritanniens für die während der EU-Mitgliedschaft gemeinsam
eingegangenen Finanzverpflichtungen. Für beide Fragen lagen nach
EU-Angaben so weitreichende Angebote aus London auf dem Tisch, dass
man sich hätte einigen können.

May steht innenpolitisch unter enormem Druck - ihr Handlungsspielraum
ist begrenzt. Neben der DUP schießen Brexit-Befürworter in der
eigenen Partei immer wieder quer. Der frühere Chef der EU-feindlichen
Ukip-Partei, Nigel Farage, forderte May zum Rücktritt auf. «Wenn wir
die EU verlassen wollen, dann muss sie jetzt ihr Amt aufgeben», sagte
der Europaabgeordnete.

Tom Brake von den EU-freundlichen Liberaldemokraten erklärte, die
jetzige Situation hätte vermieden werden können, wenn das ganze Land
im Europäischen Binnenmarkt und in der Zollunion bliebe. Stattdessen
werde ein «waghalsiger Brexit vorangetrieben, der ganz Großbritannien
destabilisieren könnte».