Europarat ruft Türkei zur Achtung des eigenen Verfassungsgerichts auf

16.02.2018 09:59

Ankara (dpa) - Der Generalsekretär des Europarats hat die Türkei zur

Achtung ihres eigenen Verfassungsgerichts aufgerufen. «Denn wenn die
Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht umgesetzt werden, wird
die Rechtsstaatlichkeit untergraben», sagte Thorbjorn Jagland am
Freitag in einer Ansprache vor angehenden Richtern und Staatsanwälten
der Justizakademie in Ankara laut vom Europarat verbreiteten
Redetext. «Und wo die Rechtsstaatlichkeit wankt, können
Menschenrechte nicht geschützt werden.» Nach der türkischen
Verfassung seien die Entscheidungen des Obersten Gerichts bindend.

Jagland spielte auf Entscheidungen des Verfassungsgerichts in den
Fällen der regierungskritischen Journalisten Sahin Alpay und Mehmet
Altan an. Das Oberste Gericht hatte im Januar ihre Freilassung aus
der Untersuchungshaft angeordnet. Nachdem die türkische Regierung die
Entscheidungen kritisiert hatte, weigerten sich untergeordnete
Gerichte, sie umzusetzen. Die beiden Journalisten sind weiter
inhaftiert.

Gegen Mehmet Altan, seinen Bruder Ahmet Altan und die
regierungskritische Journalistin Nazli Ilicak wird in Kürze das
Urteil eines Strafgerichts erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert
wegen versuchten Umsturzes der Regierung beim Putschversuch im Juli
2016 lebenslange Haft. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück.

Den Altan-Brüdern waren nach Angaben der staatlichen
Nachrichtenagentur Anadolu unter dem Vorwurf festgenommen worden, in
einer Live-Fernsehsendung «unterschwellige Botschaften» über den
bevorstehenden Putschversuch verbreitet zu haben. An der Sendung
hatte auch Ilicak teilgenommen.

Jagland äußerte sich am Freitag besorgt über den nach dem
Putschversuch verhängten Ausnahmezustand und die zahlreichen
Festnahmen. «Viele von uns sind heute besorgt über die Länge und das

Ausmaß des andauernden Ausnahmezustands. Wir sind besorgt, dass so
viele Journalisten, Mitglieder des Parlaments, Bürgermeister und
Menschenrechtsverteidiger ihrer Freiheit beraubt sind.» Diese
Menschen und die Meinungsfreiheit seien elementar für die Demokratie.
Die Türkei gehört dem Europarat seit 1950 an.