Noch viel zu tun in deutsch-polnischen Beziehungen

16.02.2018 16:33

Es war ein Antrittsbesuch in schwierigen Zeiten. Der neue polnische
Regierungschef und die Kanzlerin bemühen sich um Entkrampfung.
Erledigt sind die Kontroversen damit allerdings nicht. Besonders die
Pläne für eine neue Gaspipeline durch die Ostsee sorgen für Streit.

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in den schwierigen
Beziehungen zu Polen erheblichen Bedarf für Verbesserungen. Sie
sprach am Freitag in Berlin nach dem Antrittsbesuch des neuen
Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von «ernsthaften
Meinungsunterschieden» und einem intensiven Dialog. «Es ist eine
Menge zu tun, was wir noch besser machen können», sagte Merkel.
Zugleich sei aber vieles bereits auf dem Weg. Sie nannte als Beispiel
die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Außenpolitik. Auch die
wirtschaftlichen Beziehungen seien deutlich enger geworden.

Morawiecki erneuerte seine Kritik an dem geplante Bau einer weiteren
Gas-Pipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland, Nord
Stream 2. Warschau warnt, Europa mache sich zunehmend von Russland
abhängig.

Der polnische Regierungschef verteidigte außerdem die umstrittene
Justizreform in seinem Land. Polen steht deswegen in Europa in der
Kritik. Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der Justiz nach
den Gesetzesänderungen bedroht. Brüssel leitete im Dezember erstmals
in der EU-Geschichte ein Sanktionsverfahren ein, durch das Polen
sogar seine Stimmrechte in der EU verlieren könnte.

Merkel hielt sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kritik
zurück. Es gebe eine rechtsstaatliche Grundverpflichtung für alle
EU-Mitglieder. Die Bundesregierung unterstütze die Kommission in
ihrer Arbeit. Sie hoffe auf Fortschritte in den Gesprächen zwischen
der Kommission und Polen.

Morawiecki sagte dem «Spiegel», Polen werde versuchen, «auf die
Bedenken Punkt für Punkt zu antworten». Inhaltlich seien die Vorwürfe

falsch, Polen verstoße damit gegen das Prinzip der Gewaltenteilung.
«Wir werden das erklären und können so hoffentlich die Basis für
einen Kompromiss ausarbeiten.»

Mit Blick auf das umstrittene polnische Holocaust-Gesetz sagte
Merkel, es sei wichtig, dass Gedenkstätten etwa in Auschwitz immer
wieder von jungen Leuten aus Deutschland besucht werden könnten.
Deutschland bekenne sich «ganz eindeutig zu seiner Schuld am
Holocaust und zu seiner historischen Verantwortung», betonte sie.
Nach dem Gesetz soll bestraft werden, wer öffentlich dem polnischen
Volk oder Staat Mitverantwortung für die von Nazi-Deutschland
begangenen Verbrechen zuschreibt.

Bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin rief Morawiecki
Polen und Deutschland dazu auf, gemeinsam für das europäische Projekt
zu arbeiten. «Ich wünsche mir, dass Deutschland und Polen die echten
Lokomotiven eines Wachstums werden, von dem alle profitieren.» In den
vergangenen Jahren habe die EU aber zahlreiche neue Regelungen
beschlossen, die das Wachstum aufstrebender Unternehmen aus den
Bereichen IT, Logistik und Transport in den Mitgliedsstaaten in
Osteuropa behinderten. Die polnischen Wirtschaftsdaten sähen zwar gut
aus, «aber unsere Wirtschaft ist in den Händen von Ausländern» .