Klarheit über Fahrverbote erwartet - Kommt die blaue Plakette? Von Andreas Hoenig, dpa

18.02.2018 11:42

Vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es darum, ob Diesel-Fahrverbote
rechtmäßig sind - das Urteil könnte bundesweite Signalwirkung haben.

Doch wie sollen mögliche Fahrverbote überhaupt umgesetzt werden?

Berlin (dpa) - Vor der wegweisenden Verhandlung am
Bundesverwaltungsgericht zu Fahrverboten für Dieselautos in Städten
wird die Forderung nach Einführung einer blauen Plakette lauter. «Die
Bundesregierung, zumindest das Verkehrsministerium, scheint das Thema
auszusitzen. Das landet im Ergebnis dann in unseren Rathäusern und da
gehört es nicht hin», sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen

Städtetags, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Falls das
Gericht Fahrverbote für zulässig erkläre, werde es eine politische
Debatte über die Einführung einer blauen Plakette geben.

«Ich sehe dann keine Alternative zur blauen Plakette», sagte Dedy.
Dann könne getrennt werden zwischen neuer Technik und alten
Diesel-Autos. «Für uns wäre es die einzige Möglichkeit zwischen den

schlechteren und den besseren Fahrzeugen zu unterscheiden. Und nur
wenn man unterscheiden kann, kann man auch vernünftig mit einem
möglichen Fahrverbot umgehen.»

Bei einer blauen Plakette wären moderne Diesel mit der neuesten
Abgas-Norm Euro 6 von Fahrverboten ausgenommen. Die Bundesregierung
lehnt die Einführung einer solchen Plakette bisher ab.

Der Verband kommunaler Unternehmen warnte eindringlich vor möglichen
Fahrverboten. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf der
Bundesregierung massive Versäumnisse vor.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am 22. Februar
über die Frage, ob Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind. In
vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten,
Diesel-Autos gelten als Hauptverursacher. Ein Urteil bereits am
Donnerstag gilt als möglich.

«Wir wollen keine Fahrverbote. Aber wenn die Länder sie in
Luftreinhaltepläne aufnehmen müssen, weil Gerichte das sagen, dann
müssen wir in den betroffenen Städten handeln können. Doch nach
jetzigem Stand lassen sich Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge
überhaupt nicht wirksam kontrollieren», sagte Dedy. Das sieht auch
die Polizei so. «Wir müssen uns angesichts der Personaldecke auf
Kernaufgaben beschränken», sagte der Vizechef der Gewerkschaft
der Polizei (GdP), Arnold Plickert, der «Welt am Sonntag». «Wer
glaubt, dass wir solche Verbote dauerhaft durchsetzen können, der
irrt.» Denkbar seien bestenfalls Stichproben.

Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl sagte: «Die Bundesregierung wird
sich beim Kampf der Städte gegen Dieselabgase nicht länger aus der
Verantwortung stehlen können.» Die Leipziger Entscheidung werde die
Unsicherheit für Millionen von Autofahrern aber nicht beenden. «Um zu
wissen, welches Auto künftig in welche Stadt fahren darf, brauchen
wir ein bundeseinheitliches Werkzeug wie die blaue Plakette.»

Grünen-Fraktionsvize Krischer kritisierte, die Bundesregierung
versuche seit Jahren das Problem der schlechten Luft in Innenstädten
auszusitzen. Statt die Autoindustrie zur Verantwortung zu ziehen, die
schmutzigen Diesel durch technische Nachrüstungen sauber zu machen,
drohten nun von den Gerichten angeordnete Fahrverbote. «Fahrverbote
sind die Folge der Politik dieser Bundesregierung.» Die große
Koalition müsse begreifen, dass das Urteil aus Leipzig der letzte
Weckruf sei, die Autoindustrie zu Nachrüstungen auf deren Kosten zu
zwingen und die blaue Plakette einzuführen.

Bei kommunalen Spitzenverbänden und in betroffenen Städten gibt es
seit langem große Sorgen vor möglichen Fahrverboten - die für
besonders belastete Strecken oder Stadtgebiete und für bestimmte
Zeiträume gelten könnten. «Wenn es zu Fahrverboten kommt in
Deutschland, hat das tiefste Eingriffe in das kommunale Leben, in die
kommunale Infrastruktur, in Arbeit und Wirtschaft», sagte der
VKU-Präsident und Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling der dpa.

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über eine sogenannte
Sprungrevision zu Urteilen der Verwaltungsgerichte Stuttgart und
Düsseldorf. Baden-Württemberg sowie NRW waren Revision gegangen. Sie
argumentierten, es gebe Rechtsunsicherheiten bei Fahrverboten, so
fehle eine bundesweite rechtliche Regelung.

Nach den Urteilen der Vorinstanzen müssen Stuttgart und Düsseldorf
ihre Luftreinhaltepläne verschärfen, damit Grenzwerte eingehalten
werden. Das Stuttgarter Gericht nannte Fahrverbote dabei die
«effektivste» Maßnahme. Das Düsseldorfer Gericht urteilte,
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge müssten «ernstlich geprüft» werde
n.

Geklagt hatte jeweils die Deutsche Umwelthilfe. Deren Geschäftsführer
Jürgen Resch sagte der dpa: «Wenn das Bundesverwaltungsgericht uns
zustimmt und die Revisionen abweist, gibt es für Städte und
Bundesländer kein Argument mehr zu sagen, sie können nicht handeln.»

Es werde nicht am Tag darauf «Straßensperren» geben. «Eine klare
Entscheidung würde aber sicher dazu führen, dass bis zum Sommer die
konkrete Ausgestaltung der Dieselfahrverbote für die betroffenen
Städte steht und binnen weniger Monate umgesetzt wird.»