Das letzte Paket steht: Griechenland-Rettung vor dem Abschluss Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

22.06.2018 11:06

Noch eine letzte Nachtsitzung, dann war das Paket geschnürt: Der
Euro-Rettungsschirm für Griechenland wird eingeklappt - verbunden mit
großen Hoffnungen für das Krisenland.

Luxemburg (dpa) - Griechenland verlässt nach acht Krisenjahren das
Euro-Rettungsprogramm und steht ab August finanziell wieder auf
eigenen Beinen. Zum Abschluss erhält das hoch verschuldete Land noch
einmal 15 Milliarden Euro an Krediten als Finanzpolster und
Schuldenerleichterungen. Dafür verpflichtet es sich zur Fortsetzung
des Spar- und Reformkurses. Das Paket vereinbarte die Eurogruppe in
der Nacht zum Freitag in Luxemburg.

Die Beteiligten feierten diesen letzten großen Kraftakt. «Das ist
kein banaler Moment», sagte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici. «Das
ist ein historischer Moment. Die griechische Krise ist heute Abend
vorbei.»

Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos betonte, die
Regierung in Athen sei zufrieden mit der Vereinbarung. «Aber die
Regierung vergisst nicht und wird niemals vergessen, was das
griechische Volk in diesen acht Jahren durchmachen musste.»
Eurogruppen-Chef Mario Centeno meinte: «Es ist geschafft: Wir haben
nach dieser langen und schwierigen Anpassung eine sanfte Landung
hinbekommen.»

Vor allem um die Schuldenerleichterungen war noch einmal stundenlang
hart gerungen worden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz fuhr dem
Vernehmen nach einen strikten Kurs - der SPD-Politiker selbst äußerte
sich in der Nacht nicht mehr offiziell. Am Ende wurde laut
Abschlusserklärung vereinbart, den Beginn von Zins- und Rückzahlungen
älterer Kredite um weitere zehn Jahre hinauszuschieben. Außerdem soll
Griechenland wieder Zinsgewinne der Europartner gutgeschrieben
bekommen, sofern es politische Zusagen einhält. 2032 soll geprüft
werden, ob noch einmal Schuldenerleichterungen nötig sind.

Die letzte Tranche von 15 Milliarden Euro aus dem seit 2015 laufenden
dritten Rettungsprogramms soll weitgehend in Reserve gehalten werden.
5,5 Milliarden davon gehen direkt auf ein separates Konto nur für den
Schuldendienst, die übrigen 9,5 Milliarden sollen zum Aufbau eines
Finanzpolsters dienen. Insgesamt werde Griechenland das Hilfsprogramm
des Euro-Rettungsschirms ESM mit einem Puffer von 24,1 Milliarden
Euro verlassen, heißt es in der Erklärung. Damit sei der
Schuldendienst für 22 Monate in jedem Fall gesichert.

Hauptziel des Manövers ist es, das Vertrauen von Anlegern zu stärken
und dem Land ab August die Aufnahme bezahlbarer Kredite zu
erleichtern. Moscovici nannte das Gesamtpaket glaubwürdig. Das dritte
Rettungsprogramm im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro läuft
regulär im August aus. Bisher erhielt das Land daraus vergünstigte
Kredite von knapp 50 Milliarden Euro.

Anders als ursprünglich geplant und dem Bundestag zugesichert,
beteiligt sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an dem Programm
nicht finanziell. Der Aufwand wäre für eine anvisierte Summe von 1,6
Milliarden Euro zu groß gewesen, hieß es. An früheren Krediten und an

der Programmaufsicht ist der IWF aber beteiligt.

Griechenland war 2010 am Rand der Staatspleite und seitdem auf
Unterstützung der europäischen Partner und des IWF angewiesen. Als
Gegenleistung für vergünstigte Kredite in Höhe von knapp 274
Milliarden Euro musste das Land Sparprogramme und Strukturreformen
auflegen. Nach Angaben der EU-Kommission wurden allein in den
vergangenen drei Jahren 450 Einzelmaßnahmen durchgesetzt.

Die Eurogruppe würdigte ausdrücklich, dass Athen alle Vorgaben
erfüllt habe. «Wir gratulieren den griechischen Behörden und dem
griechischen Volk zum erfolgreichen Abschluss des ESM-Programms»,
hieß es in der Erklärung.

Inzwischen verzeichnet Griechenland wieder Wirtschaftswachstum und
Haushaltsüberschüsse. Doch ist immer noch jeder Fünfte arbeitslos,
und die staatliche Verschuldung liegt bei etwa 180 Prozent der
Wirtschaftsleistung.

Das jetzt vereinbarte Paket beruht auf der Annahme, dass Griechenland
bis 2022 einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent und danach bis 2060
jährlich 2,2 Prozent erreicht. Gemeint ist ein Haushaltsüberschuss
ohne Berücksichtigung des Schuldendiensts. Die Umsetzung aller
Vorgaben und Reformvorhaben soll alle drei Monate von der
EU-Kommission überprüft werden.

Neben den Griechenland-Hilfen berieten Scholz und seine Kollegen am
Donnerstag und am Freitagmorgen auch die geplanten Reformen der
Eurozone und die Fortentwicklung der Bankenunion. Dabei stellten
Scholz und sein französischer Kollege Bruno Le Maire das
deutsch-französische Reformprogramm von Meseberg vor. Mehrere
Teilnehmer sagten jedoch, dass vor allem über das geplante Budget für
die Eurozone kein Konsens in Sicht sei. Beschlüsse dazu sollte es in
Luxemburg ohnehin nicht geben. Die Debatte diente der Vorbereitung
des EU-Gipfel in einer Woche in Brüssel.