Menschenrechtler: Ungarn lässt Asylsuchende in Transitzonen hungern

17.08.2018 15:38

Erst ließ Ungarns rechtsnationaler Regierungschef Viktor Orban 2015
einen Zaun gegen Flüchtlinge bauen, dann folgten massive Propaganda
und verschärfte Asylgesetze. Als neues abschreckendes Mittel ist
offenbar eine angedrohte Hungerkur für Asylsuchende gedacht.

Budapest (dpa) - In Ungarn werden Asylsuchende einer
Menschenrechtsorganisation zufolge durch Nahrungsentzug dazu
gedrängt, auf ihren Asylantrag zu verzichten. Die Maßnahme treffe
jene Flüchtlinge, deren Asylantrag in erster Instanz abgelehnt wurde
und die dagegen Berufung einlegen, erklärte am Freitag das Ungarische
Helsinki-Komitee in Budapest. Diese Personen würden in den
geschlossenen Transitzonen an der ungarisch-serbischen Grenze
untergebracht, wo einige von ihnen kein Essen bekämen. Es stehe ihnen
aber frei, nach Serbien zu gehen. Dies teile das ungarische Amt für
Immigration und Asyl den Betroffenen mit.

Das Helsinki-Komitee habe über seine Rechtsanwälte bisher erreicht,
dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in
Straßburg den ungarischen Staat zu vorübergehenden Erleichterungen
für sechs betroffene Asylsuchende verpflichtet. Es bedeute, dass
diese Menschen in den Transitzonen mit Nahrung versorgt werden. Die
entsprechenden EGMR-Entscheidungen seien am 10. und am 16. August
dieses Jahres gefallen.

Bei den sechs Betroffenen handelt es sich nach Angaben des
Helsinki-Komitees um drei Männer und eine Frau aus Afghanistan, die
sich auf zwei Familien verteilen, sowie um zwei Brüder aus Syrien. In
einem Fall wurde dem afghanischen Familienvater die Nahrung
verweigert, während seine stillende Frau und die weiteren Kinder
Nahrung erhielten. Die Nahrungsvergabe an die Kinder und die Frau
sei in von den Männern getrennten Räumen erfolgt, um zu verhindern,
dass die Kinder und Frauen den Männern etwas von ihrem Essen abgeben.

Der Leiter des Flüchtlingsprogramms beim Helsinki-Komitee, Andras
Lederer, rechnet mit weiteren ähnlichen Fällen, denn es sei zu
erwarten, dass Ungarn weitere Asylanträge ablehne. «Gerade heute
Morgen hatten wir einen weiteren Fall», sagte Lederer der Deutschen
Presse-Agentur (dpa). «Es ist eine afghanische Familie mit zwei
kleinen Kindern. Eines ist anderthalb Jahre alt, das andere ist fünf
Monate alt und wird von seiner Mutter gestillt. Mutter und Kinder
bekommen Nahrung, aber der 26-jährige Vater nicht.» Sein Gremium wi
ll
auch diesen Fall beim EGMR vorbringen. «Ich hoffe, dass das EGMR
spätestens an diesem Montag entscheidet. Und dass der Familienvater
doch noch heute Abend etwas zu essen bekommt», sagte Lederer weiter.

In Ungarn ist seit dem 1. Juli dieses Jahres ein verschärftes
Asylrecht in Kraft, wonach Asylanträge von Flüchtlingen, die aus
sicheren Drittstaaten kommen, automatisch abgelehnt werden. Das
Nachbarland Serbien wird dabei als sicheres Drittland eingestuft.
Diese Neuregelung ist einer der Gründe für das Verfahren vor dem
Europäischen Gerichtshof, das die EU-Kommission am 19. Juli
gegen Ungarn eingeleitet hat. Angewendet würden dessen Bestimmungen
erst seit Mitte August, berichtete das Helsinki-Komitee.