Italien: Keine Änderung der Schuldenpläne - «Lächeln» gegen Abstu fung

20.10.2018 16:54

Wird Italien nach Griechenland der nächste große Krisenfall in der
Eurozone? Nach der Vorlage der umstrittenen Pläne zur Neuverschuldung
erhöht die Politik Roms die Nervosität auf dem ganzen Kontinent. Auch
ein Warnschuss aus der Finanzwelt schreckt die Regierung nicht ab.

Rom/Berlin (dpa) - Die italienische Regierung bleibt unbeeindruckt
von der scharfen Kritik an ihren Finanzplänen und will ihren Kurs
trotz wachsender Sorgen vor einer neuen Schuldenkrise durchziehen.

Der Vize-Premier und Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung,
Luigi Di Maio, machte am Samstag in Rom vor weiteren Beratungen des
Kabinetts klar, dass man ungeachtet der Warnungen von EU-Kommission
und Analysten nicht nachgeben werde. «Ich denke, ich kann im Namen
der ganzen Regierung sprechen, wenn ich jedwede Neubewertung des
Defizitziels von 2,4 Prozent ablehne», sagte der Politiker.

In Höhe dieses Anteils am Bruttoinlandsprodukt (BIP) will sich
Italien neu verschulden. Weil der Wert weit über den zunächst
zugesagten 0,8 Prozent der Vorgängerregierung liegt, hatte die
Brüsseler Kommission am Donnerstag von einer «nie da gewesenen»
Abweichung von den Regeln der Eurozone gesprochen. Die Regierung aus
Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsnationaler Lega diskutierte nun, wie
auf die deutliche Kritik an ihrem Etatentwurf zu reagieren sei.
Finanzminister Giovanni Tria muss Brüssel bis Montagmittag antworten.

Eigentlich sind in der Währungsunion ein maximaler Schuldenstand von
60 Prozent und eine jährliche Aufnahme neuer Kredite von höchstens
3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung zulässig. Weil Italien einen
riesigen Schuldenberg von gut 130 statt 60 Prozent des BIP angehäuft
hat, muss es nach früheren Beschlüssen strengere Werte einhalten. Das
letzte Kabinett hatte ein Defizit von 0,8 Prozent versprochen, die
neue Koalition peilt nun allerdings 2,4 Prozent an.

Eine weiter steigende Verschuldung könnte die Risikoaufschläge für
italienische Staatsanleihen immer höher werden lassen - mit möglichen
Gefahren für das Vertrauen in die öffentlichen Haushalte und in die
Stabilität der gesamten Eurozone. Die Ratingagentur Moody's stufte
die Kreditwürdigkeit des Landes am späten Freitagabend herunter.

Die Bonitätswächter kritisierten, die Pläne zeigten keine «kohäre
nte
Reformagenda», die das maue Wachstum Italiens berücksichtigen würde.

Di Maio zeigte sich von der Einschätzung wenig beeindruckt: Die
Herabstufung werde man «mit einem Lächeln» beantworten. Lega-Chef
Matteo Salvini ergänzte, man halte an den Zielen fest - «trotz
Ratingagenturen, EU-Kommissaren und interner Missverständnisse».

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte die Regierung am
Freitag zur Einhaltung der EU-Schuldenregeln aufgefordert. «Die
Europäische Union ist eine Wirtschafts- und eine Wertegemeinschaft,
und die funktioniert, weil es gemeinsame Regeln gibt, an die sich
alle halten müssen», sagte er am Rande des Asien-Europa-Gipfels in
Brüssel. «Wenn man diese Regeln bricht (...), dann bedeutet das, dass
Italien sich selbst gefährdet, aber natürlich auch darüber hinaus
andere mit gefährdet. Wir sind als Europäische Union nicht gewillt,
dieses Risiko, diese Schulden für Italien zu übernehmen.»

Unter Druck standen auch Staatsanleihen anderer südeuropäischer
Länder. Beobachter verwiesen nicht nur auf den sich abzeichnenden
Konflikt zwischen der EU und Italien wegen der Schuldenpläne, sondern
auch auf Streitereien innerhalb der Regierung in Rom. Fachleute
sprachen zudem von einem zunehmenden Überschwappen auf andere Märkte.

Wirtschaftswissenschaftler zeigen sich ebenfalls zunehmend besorgt.
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der
«Rheinischen Post» (Samstag): «In der nächsten Wirtschaftskrise
könnte das Vertrauen der Investoren in die italienischen
Staatsfinanzen ganz kollabieren.» Im Ernstfall sei angesichts des
derzeitigen Verhaltens der Regierung auch nicht mit Hilfe von den
Rettungsschirmen oder der Europäischen Zentralbank zu rechnen.

Der Chefökonom der Dekabank, Ulrich Kater, warnte, es könne «fatal
sein, wenn ein weiterer Schock hinzukäme, etwa ein Konjunktureinbruch
oder der Zusammenbruch einer Bank.» FDP-Bundestagsfraktionsvize
Christian Dürr verlangte Konsequenzen aus Brüssel: «Die EU-Kommission

muss hart bleiben und die Regeleinhaltung strikt einfordern, sonst
droht große Ansteckungsgefahr für die ganze Eurozone.»