Deutsche Piloten bei Ryanair fast am Tarifziel - Streiks vom Tisch Von Christian Ebner, dpa

04.12.2018 15:48

Ryanair muss sich ändern - mit dieser Parole sind Piloten und
Flugbegleiter in den Tarifstreit mit Europas größtem Billigflieger
gegangen. Tatsächlich tut sich was.

Frankfurt/Main (dpa) - Beim Billigflieger Ryanair müssen die
Passagiere zunächst keine weiteren Streiks an den deutschen Basen
fürchten. Das Unternehmen hat sich mit der Pilotengewerkschaft
Vereinigung Cockpit (VC) auf wesentliche Eckpunkte eines umfassenden
Tarifwerks geeinigt, das nun näher verhandelt werden soll. Bis Ende
Februar sollen Gehaltstarif und Manteltarif stehen, die dann bis März
2023 gelten sollen, wie beide Seiten am Dienstag mitteilten.

VC-Tarifexperte Ingolf Schumacher zeigte sich optimistisch, die
angestrebte Einigung erreichen zu können. «Ich bin da sehr positiv»,

sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die grundsätzliche Einigung
wurde mit Hilfe der beiden Schlichter Stefan Simon und Holger Dahl
bereits am Freitag getroffen. Für das Kabinenpersonal hatte Verdi
schon im November eine ähnliche Grundsatzvereinbarung mit Ryanair
abgeschlossen. Auch hier stehen noch die nähere Ausarbeitung sowie
die abschließende Urabstimmung der Beschäftigten aus.

Der größte europäische Billigflieger wurde im gesamten Jahr 2018 von

wechselnden Streiks der Flugbegleiter und Piloten in verschiedenen
europäischen Ländern getroffen. Das früher strikt
anti-gewerkschaftlich orientierte Unternehmen hatte 2017 nach
erheblichen Personalengpässen erklärt, künftig mit den
Arbeitnehmervertretungen zusammenarbeiten zu wollen. Zuvor waren die
Iren wegen fragwürdiger Beschäftigungsmodelle und schlechter
Arbeitsbedingungen in die Kritik geraten.

Die nun erreichten grundsätzlichen Vereinbarungen mit den deutschen
Gewerkschaften reihen sich ein in Verträge in Portugal, Spanien,
Irland, Großbritannien, Griechenland, Schweden, Belgien und Italien.

Die gut 400 in Deutschland stationierten Piloten hatten vor knapp
einem Jahr erstmals gestreikt und im laufenden Jahr noch drei Mal die
Arbeit niedergelegt. Hunderte Flüge fielen aus.

Nun sollen unter anderem die Grundgehälter deutlich steigen, teils
zulasten der variablen Gehaltsbestandteile. Ganz junge Co-Piloten
könnten mit einer Verdoppelung ihres Fixgehalts auf 50 000 Euro pro
Jahr rechnen, heißt es in Papieren der Tarifkommission. Für Kapitäne

soll es um bis zu 33 Prozent auf zunächst 100 000 Euro hochgehen.
Unter dem Strich gebe es leichte Steigerungen des Gesamtgehalts, die
aber nicht näher beziffert wurden. Weitere jährliche Steigerungen bis
zum Ende der Laufzeit wurden bereits vereinbart.

Ryanair habe seine Ankündigung bereits umgesetzt, die in Deutschland
eingesetzten Piloten selbst anzustellen, sagte Schumacher. Früher
hatte es viele prekäre Arbeitsverhältnisse als Scheinselbstständige
gegeben, die dann von Personaldienstleistern an Ryanair verliehen
wurden. Ab Ende Februar 2019 sollen die Arbeitsverträge zudem auf
deutsches Recht umgestellt werden, ab April werde deutsches
Steuerrecht angewendet. Wegen der geringeren Steuersätze im Vergleich
zu Irland steige damit das Nettogehalt der Piloten.

Auch für den Fall von Stationsschließungen und Versetzungen seien
soziale Regelungen gefunden worden, bestätigten beide Seiten. Dies
soll auch rückwirkend für die geschlossene Station Bremen und die
reduzierte Mannschaft in Weeze am Niederrhein gelten. Auch über die
Bildung eines Cockpit-Betriebsrats nach Tarifrecht sei man sich
einig, erklärte die VC. Die vom Bundeskabinett beschlossene
Gesetzesänderung zur leichteren Bildung von Betriebsräten für das
fliegende Personal wolle man nicht abwarten.

Die insgesamt vier Tarifverträge sollen bis Ende Februar (Gehalt und
Mantel) beziehungsweise zum 1. April unter Dach und Fach sein. Bis
dahin wird es wegen der vereinbarten Friedenspflicht auch keine
weiteren Streiks der in Deutschland stationierten Piloten mehr geben.

Ryanair ist der größte Billigflieger Europas. Er fliegt mit seinen
einheitlichen Boeing 737-Maschinen mehr als 215 Flughäfen in 37
Ländern an und operiert von 86 Basen in Europa und Nordafrika. Das
hochprofitable Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben rund 14
500 Menschen. Im Geschäftsjahr 2017/2018 machten die Iren bei 7,15
Milliarden Euro Umsatz einen Gewinn von 1,45 Milliarden Euro. Für den
November vermeldeten die Iren mit 10,4 Millionen Passagieren einen
neuen Rekord. Die Auslastung habe bei 96 Prozent gelegen.