Sozialdemokrat Timmermans verspricht gerechtere Löhne und Steuern

08.12.2018 16:42

Der Niederländer Frans Timmermans begeistert die europäischen
Sozialdemokraten. Aber reicht das schon, um sie bei der Europawahl
aus der Misere zu führen?

Lissabon (dpa) - Mit ihrem frisch gekürten Spitzenkandidaten Frans
Timmermans wollen Europas Sozialdemokraten ihre Schwäche überwinden
und 2019 die Macht in der EU-Kommission in Brüssel erobern. Ein
Parteitag nominierte den 57-jährigen Niederländer am Samstag in
Lissabon als Spitzenmann für die Europawahl und Nachfolger für
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. In einer umjubelten Rede
versprach Timmermans einen Pakt für ein sozialeres Europa und
Widerstand gegen nationalistische Populisten.

«Bei diesen Wahlen geht es um die Seele Europas», sagte Timmermans,
der seit 2014 Vizepräsident der EU-Kommission ist. Die Europäer
müssten wählen zwischen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der
Achtung der Menschenrechte auf der einen und der Rückkehr von reiner
Machtpolitik auf der anderen Seite.

Seine Ziele seien bessere Löhne, ein besserer Schutz für kleine
Dienstleister wie Pizzaboten, eine faire Besteuerung von
Digitalriesen und «Superreichen», ein Abbau der Lohnlücke zwischen
Männern und Frauen, Schutz vor sexueller Gewalt und ein besserer
Klima- und Umweltschutz. «Das ist zu schaffen, es braucht nur den
Willen, es zu tun», sagte Timmermans.

In der Migrationspolitik warb er für Integration und eine viel engere
Zusammenarbeit mit Afrika. Die Aufgabe sei vergleichbar mit der
Aussöhnung von Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
«Es ist eine Schicksalsfrage», sagte er. Verfalle man darauf,
Zuwanderer nicht mehr als Menschen zu sehen, sterbe die eigene
Menschlichkeit und «dann sind wir keine Europäer mehr».

Der Europäischen Volkspartei warf er vor, nur den Status quo in
Europa verwalten zu wollen. Die EVP hatte schon vor vier Wochen den
CSU-Vizechef Manfred Weber zum Spitzenkandidaten gekürt. Timmermans
wird nun im Wahlkampf Webers wichtigster Gegenspieler.

SPD-Chefin Andrea Nahles beglückwünschte Timmermans auf Twitter und
schrieb: «Europa ist am Scheideweg. Bewegen wir uns auf größere
Solidarität zu oder auf «unsere Nation zuerst?»» Es stehe viel auf

dem Spiel. Die SPD will am Sonntag in Berlin die deutschen
Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai küren:
Bundesjustizministerin Katarina Barley und den Chef der
sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Udo Bullmann.

Die Sozialdemokraten hatten bei der Europawahl 2014 EU-weit 25,4
Prozent der Stimmen erzielt, in Deutschland sogar 27,3 Prozent.
Umfragen sehen sie derzeit europaweit bei etwa 20 Prozent, in
Deutschland bei etwa 15. Nach - vorerst noch sehr vagen -
Projektionen hätte die Fraktion im Europaparlament etwa 140 von
künftig 705 Sitzen. Die EVP käme auf 180 Sitze.

Sozialdemokraten stellen nur noch in 6 der 28 EU-Staaten die
Regierungschefs, nämlich in Portugal, Spanien, Schweden, Malta,
Rumänien und der Slowakei. Hoffnung schöpfen sie aus Zuspruch in
Portugal und in Spanien, wo Ministerpräsident Pedro Sanchez seit
diesem Jahr eine Minderheitsregierung führt. Sanchez und sein
portugiesischer Kollege Antonio Costa weckten beim Parteitag
Begeisterung.

Auch Fraktionschef Bullmann gab sich optimistisch. «Wir werden in
Deutschland wieder kommen, da bin ich mir ganz sicher», sagte er der
Deutschen Presse-Agentur. Timmermans habe gute Chancen, nächster
EU-Kommissionspräsident zu werden. Möglich werden könnte dies nach
Bullmanns Worten mit einem Bündnis progressiver Kräfte aus
Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken.