Merkel zu Migrationskonferenz in Marokko - Kein Treffen mit König

09.12.2018 19:10

Trotz der Kritik steht Deutschland zum umstrittenen
UN-Migrationspakt. Kanzlerin Merkel wird am Montag bei der Konferenz
in Marrakesch zur Annahme des Dokuments sprechen. Ein Treffen mit dem
marokkanischen König fiel aber aus.

Marrakesch (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zur Teilnahme an
der UN-Migrationskonferenz in Marokko eingetroffen. Ein kurz nach
Ankunft am Sonntag in Marrakesch geplantes Treffen mit König Mohammed
VI. musste auf marokkanischen Wunsch ausfallen. Das Staatsoberhaupt
hatte die Unterredung aus terminlichen Gründen auf diesen Montag und
in die Hauptstadt Rabat verlegen wollen, da er nicht nach Marrakesch
kommen konnte. Dies sei aber wiederum bei der Kanzlerin aus
Termingründen nicht möglich gewesen.

Gleichzeitig warb Deutschland vor der Annahme des UN-Migrationspakts
noch einmal für die internationale Vereinbarung und kritisierte deren
Gegner. Der Pakt biete «erstmals einen internationalen Rahmen, um
Migration aktiv zu steuern, zu ordnen und zu regeln», sagte
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) dem «Spiegel». Das Dokument soll

am Montag in Marrakesch angenommen werden. Nach der
Eröffnungszeremonie wird dort auch Merkel eine Rede halten. Schon
gegen Mittag wollte sie wegen der laufenden letzten Plenarwoche des
Bundestages vor der parlamentarischen Weihnachtspause nach Berlin
zurückkehren.

In Belgien zerbrach unterdessen im Streit um den Migrationspakt die
Koalition. Die flämische Regionalpartei N-VA lehnt den Vertrag ab.
Sie verließ am Sonntag die Regierung, weil der frankophone
Ministerpräsident Charles Michel darauf bestand, zur Konferenz in
Marrakesch zu reisen.

Der Pakt enthält 23 Ziele, auf deren Basis die internationale
Migrationspolitik verbessert werden soll, um gegen illegale und
ungeordnete Migration vorzugehen und Migration sicherer für die
Menschen zu machen. Die Vereinbarung - die rechtlich nicht bindend,
aber politisch verpflichtend ist - umfasst eine Reihe von Leitlinien
und Maßnahmen. Dazu gehört eine Verbesserung der Lebensbedingungen in
den Herkunftsländern, ein Schutz der Migranten vor Ausbeutung und vor
Benachteiligung in den Aufnahmeländern.

Die Migrationspakt war von allen UN-Mitgliedern außer den USA
ausgehandelt worden. Obwohl das Dokument ausdrücklich die geltende
Souveränität der Mitgliedsstaaten betont, fürchten einige Länder um

ihre nationale Hoheit. Mehrere Regierungen hatten das Papier in den
vergangenen Wochen abgelehnt - darunter Ungarn, Österreich, Polen,
Tschechien, Bulgarien, Australien, die Slowakei und Israel. Die
EU-Kommission rief hingegen alle Mitglieder zur Unterstützung auf.

Die Schweiz und Italien werden nicht vertreten sein, weil die
Regierungen in Bern und Rom erst die Parlamente entscheiden lassen
wollen. Die Annahme des Paktes in Marrakesch gilt trotzdem als
sicher.

In Deutschland hatte die AfD eine Debatte darüber entfacht. Sie
warnte vor einem Verlust nationaler Souveränität und einer
«Beschleunigung und Vervielfachung der Zuwanderung». Doch der
Bundestag stellte sich mehrheitlich hinter die Vereinbarung und
betonte, diese entfalte «keinerlei rechtsändernde oder rechtssetzende
Wirkung». Dazu gehöre, dass deutsche Gesetze etwa im Ausländer- und
Sozialrecht sowie behördliche und gerichtliche Entscheidungen
uneingeschränkt gälten.

Justizministerin Katarina Barley (SPD) warnte mit Blick auf Kritik am
Migrationspakt vor einer Vermengung von Begrifflichkeiten. «Bitte
verwechseln Sie nicht Migration und Flucht», sagte sie der
«Süddeutschen Zeitung» mit Verweis auf den UN-Flüchtlingspakt. Dies
er
werde gerade zum Thema Flucht ausgehandelt. «Genau damit befasst sich
unser Pakt nämlich nicht, sondern mit Migration - zum Beispiel zum
Arbeiten, zur Ausbildung oder auch aus Liebe.»

Migranten sind nach der Definition der Internationalen Organisation
für Migration (IOM) alle Menschen, die ihren Wohnort verlassen - egal
aus welchen Gründen, egal wie lange und egal ob freiwillig oder
unfreiwillig. Die UN zählte 2017 weltweit 258 Millionen Migranten.

Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, betonte, der Pakt
bekräftige die in Europa gültigen Rechte und müsse zur Veränderung

der Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU führen. «Nacht- und
Nebelabschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan»
seien rechtsstaats- und menschenrechtswidrig und müssten ebenso
aufhören wie das «tausendfache Sterben an Europas Grenzen».

Für Kanzlerin Merkel stand am Sonntag noch ein Abendessen mit dem
marokkanischen Ministerpräsidenten Saad Eddine El Othmani an, das wie
geplant stattfinden sollte. Merkel wollte mit Othmani über
marokkanische Forderungen nach mehr europäischer Unterstützung beim
Umgang mit Migranten sprechen. Marokko hat in diesem Jahr Libyen als
Abfahrtsort illegaler Migranten nach Europa überholt. Bei dem Treffen
Merkels mit Othmani dürfte es auch um die Rückführung abgelehnter
Asylbewerber aus Deutschland nach Marokko gehen.