EuGH: Großbritannien könnte Brexit noch stoppen

10.12.2018 09:14

Mitten im bitteren Brexit-Streit in Großbritannien kommt ein klares
Signal aus Luxemburg: Der Exit vom Brexit ist aus Sicht des
Europäischen Gerichtshofs ohne weiteres möglich.

Luxemburg (dpa) - Großbritannien könnte den für 2019 angekündigten

Brexit noch einseitig und ohne Zustimmung der übrigen EU-Länder
stoppen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am Montag in
Luxemburg. Die Schwelle für einen Rückzieher von dem in
Großbritannien sehr umstrittenen EU-Austritt ist somit niedriger als
gedacht. (Rechtssache C-621/18)

Das oberste schottische Zivilgericht hatte den EuGH um eine Bewertung
gebeten, ob ein einseitiger Rückzieher noch möglich sei. Das Urteil
fiel einen Tag vor der Abstimmung des britischen Parlaments über das
von Regierungschefin Theresa May mit der Europäischen Union
ausgehandelte Austrittsabkommen. Dafür zeichnet sich keine Mehrheit
ab.

Die britische Regierung hatte am 29. März 2017 die übrigen EU-Staaten
offiziell darüber informiert, dass das Land die EU verlassen will.
Damit begann ein zweijähriges Austrittsverfahren nach Artikel 50 der
EU-Verträge, das planmäßig mit dem Brexit am 29. März 2019 endet. D
ie
EU-Kommission und der Rat der Mitgliedsländer hatten vor dem EuGH
argumentiert, das Verfahren lasse sich nur mit einem einstimmigen
Beschluss des Rats stoppen.

Der EuGH sieht das eindeutig anders. Ein Rückzieher der
Austrittsankündigung sei «in Übereinstimmung mit den
verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten» in Großbritannien möglich.
Dann bliebe das Vereinigte Königreich unter unveränderten Bedingungen
Mitglied der EU, entschieden die Luxemburger Richter.

Das Urteil dürfte den Brexit-Gegnern in Großbritannien Auftrieb
geben. May hatte noch am Wochenende abermals für ihr Brexit-Paket
geworben. Es besteht aus einem knapp 600 Seiten starken
Austrittsvertrag, der die Bedingungen der Trennung regelt. Darunter
sind die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien, aber auch
finanzielle Pflichten Londons gegenüber der EU. Ergänzt wird der
Vertrag durch eine rechtlich nicht bindende politische Erklärung über
die künftigen Beziehungen.

Scheitert Mays Plan im Parlament, muss sie entweder noch einmal
abstimmen lassen - oder es braucht einen Plan B. Aus der britischen
Regierung und der Opposition mehren sich Signale, dass dann eine
engere Anbindung an die EU erwogen werden könnte, zum Beispiel der
Verbleib in Binnenmarkt und Zollunion. Nicht mehr undenkbar ist ein
zweites Referendum - oder eben sogar ein Rückzieher vom Brexit.