Brexit: Schicksalstage für Großbritannien und die EU Von Verena Schmitt-Roschmann und Silvia Kusidlo, dpa

10.12.2018 18:44

Brüssel/London (dpa) - Ist dies die Woche, in der der Exit vom Brexit
beginnt? Noch am Montagmorgen sah es so aus, als könnte sich bald der
Nebel lichten, ob, wann und wie Großbritannien den EU-Austritt
bewerkstelligt. Doch nach der Verschiebung der Abstimmung im
britischen Parlament über den von Premierministerin Theresa May
ausgehandelten Austrittsvertrag ist die Lage mehr als verworren. Klar
ist: Das Thema dürfte jeden Tag dieser Woche begleiten.

MONTAG:

Der Tag begann mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach
Großbritannien den Brexit selbstständig und ohne Zustimmung der
übrigen 27 EU-Länder stoppen könnte. Damit ist die Schwelle für ein
en
Rückzieher niedriger als gedacht. Die britische Regierung will diese
Option aber nach eigenen Angaben nicht nutzen. Nachmittags wirbelte
May dann alles durcheinander mit der Ankündigung, ihr Abkommen nicht
wie geplant am Dienstag dem Unterhaus zur Abstimmung vorzulegen. Ihre
Begründung: die drohende Niederlage, da eine Mehrheit fehlt.

DIENSTAG:

Da die Abstimmung verschoben ist, muss sich nun vor allem die
EU-Seite sortieren. May sagt, sie wolle die gewonnene Zeit nutzen und
noch diese Woche von EU-Staats- und Regierungschefs weitere
«Zusicherungen» erreichen. Was ist da überhaupt noch möglich?
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat für Dienstag eine Rede
im EU-Parlament angekündigt.

Juncker hat Nachbesserungen an dem fast 600 Seiten starken,
rechtsverbindlichen Austrittsvertrag bereits ausgeschlossen. Das
Hintertürchen, das Diplomaten jetzt aufmachen: Möglich seien
vielleicht kleine Änderungen oder eine Ergänzung der politischen
Erklärung, die die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und

der EU skizziert. Nur: Dieses kurze Papier ist ohnehin rechtlich
nicht verbindlich. Ob eine Änderung die Lage im britischen Unterhaus
wende, sei mehr als fraglich, heißt es in Brüssel.

MITTWOCH:

Für den Vormittag ist eigentlich eine Brexit-Debatte im
Europaparlament angekündigt. Ob sie stattfindet, war am Montagabend
unklar. Ebenso unklar: Wann May welchen ihrer EU-Kollegen treffen
würde. Termine mit Juncker oder dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk
waren zunächst nicht bestätigt.

DONNERSTAG UND FREITAG:

In Brüssel kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu ihrem letzten
Gipfel des Jahres zusammen und haben eigentlich ganz andere Themen
auf der Tagesordnung - Migration, Klima, Russland-Sanktionen,
Euroreformen. Das Thema Brexit dürfte sich aber in den Vordergrund
schieben. May hat immer wieder versucht, selbst auf EU-Gipfeltreffen
zu verhandeln. Bisher hat die EU-Seite dies stets abgebügelt und sich
daran gehalten, dass ihr Chefunterhändler Michel Barnier zuständig
ist. Am Montagabend hieß es von Diplomaten, Verhandlungen der 27
bleibenden EU-Staaten mit May beim Gipfel seien nicht vorstellbar.
Denkbar sei nur, dass May ihren Standpunkt dort noch einmal darlegt
und dann die 27 unter sich beraten.

Eine Frage, die bald eine größere Rolle spielen könnte: Wird
vielleicht die Ausstiegsphase verlängert? Diese endet nach Artikel 50
der EU-Verträge eigentlich genau zwei Jahre nach dem Austrittsantrag,
also am 29. März 2019. Die 27 könnten sie mit einer einstimmigen
Entscheidung verlängern.