Brexit-Abstimmung verschoben: May reist nach Den Haag und Berlin

11.12.2018 04:45

Nach der Absage der Abstimmung zum Brexit-Deal im Parlament in London
tourt die britische Premierministerin durch Europa und versucht
nachzuverhandeln. EU-Ratspräsident Tusk beruft einen Brexit-Gipfel
der 27 verbliebenen EU-Staaten ein.

London/Den Haag/Berlin (dpa) - Die britische Premierministerin
Theresa May will am Dienstag zu Gesprächen über den Brexit-Deal mit
dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte (09.00 Uhr) und
Bundeskanzlerin Angela Merkel (13.00 Uhr) zusammentreffen. Das teilte
der britische Regierungssitz 10 Downing Street am Montagabend in
London mit.

May hatte zuvor die für Dienstagabend geplante Abstimmung im
britischen Parlament über das mit Brüssel ausgehandelte
Brexit-Abkommen abgesagt. Einen neuen Termin nannte sie zunächst
nicht. Sie will zuerst Nachverhandlungen führen. Mehr als
Formulierungsänderungen dürfte sie sich davon aber kaum erhoffen.

Als schwierigste Hürde in dem Abkommen erweist sich der Backstop, die
Garantie, dass mit dem Brexit keine neuen Grenzkontrollen zwischen
dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland eingeführt
werden sollen. Ansonsten wird ein Wiederaufflammen des Konflikts in
der EX-Bürgerkriegsregion befürchtet. Die Regelung sieht vor, dass
Großbritannien als Ganzes so lange in der Europäischen Zollunion
bleiben soll, bis das Problem durch ein neues Abkommen gelöst ist.
Nordirland muss zudem Regeln des Binnenmarkts einhalten.

Dagegen gebe es tief gehende und weit verbreitete Bedenken, sagte May
am Montag im Parlament. Sie glaube weiterhin an das Abkommen. «Und
ich glaube, dass in diesem Haus eine Mehrheit dafür gewonnen werden
kann, wenn ich die zusätzliche Rückversicherung zur Backstop-Frage
bekommen kann», so die Regierungschefin. Sie habe bei ihren
Telefonaten mit Amtskollegen aus der EU Signale erhalten, die auf
eine Gesprächsbereitschaft hindeuteten.

EU-Ratspräsident Donald Tusk berief für Donnerstag einen Gipfel der
27 bleibenden EU-Staaten ein. Man werde den Deal nicht neu
verhandeln, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. «Aber wir
sind bereit zu diskutieren, wie die Ratifikation in Großbritannien
bewerkstelligt werden kann.» Auch eine Kommissionssprecherin in
Brüssel bekräftigte: «Dieser Deal ist der beste Deal und der einzige

mögliche Deal.»

Tusks Sprecher ergänzte, man sei in Kontakt mit der britischen Seite
und bespreche das weitere Vorgehen. Tusk berate zudem mit den
EU-Staats- und Regierungschefs über die Vorbereitung für Donnerstag.
Für Donnerstag und Freitag ist ohnehin ein EU-Gipfel angesetzt, zu
dem auch May kommt. Das Treffen der 27 ohne Großbritannien kommt nun
hinzu.

Die Kritiker im Parlament fürchten, dass Großbritannien mit dem
Backstop dauerhaft im Orbit der EU gehalten werden soll. Die
nordirische Protestantenpartei DUP, von der Mays Minderheitsregierung
abhängt, lehnt jegliche Sonderbehandlung ihrer Provinz kategorisch
ab. «Der Backstop muss weg», twittere DUP-Chefin Arlene Foster.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass May mit rein kosmetischen
Änderungen an dem Brexit-Abkommen einen ausreichenden
Stimmungsumschwung im britischen Parlament bewirken kann.

Am 29. März 2019 wird Großbritannien die EU verlassen. Sollte bis
dahin kein Abkommen ratifiziert sein, könnte das Land ungeregelt
ausscheiden - mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele
andere Lebensbereiche. Doch inzwischen wird auch nicht mehr
ausgeschlossen, dass es zu einer Neuwahl oder einem zweiten
Brexit-Referendum kommt.