EuGH: Umstrittene EZB-Anleihenkäufe verstoßen nicht gegen EU-Recht

11.12.2018 12:52

Mehr als zwei Billionen Euro haben die Währungshüter in Papiere des
öffentlichen Sektors investiert. Kritiker bemängeln die nach der
Euro-Krise aufgelegten Kaufprogramme als unerlaubte
Staatsfinanzierung. Das oberste EU-Gericht sieht das aber anders.

Luxemburg (dpa) - Die umstrittenen Anleihenkäufe der Europäischen
Zentralbank (EZB) sind nach einem richtungsweisenden Urteil des
obersten EU-Gerichts erlaubt. Die Notenbank verstoße damit nicht
gegen ihr Mandat und nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung,
urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg
(Rechtssache C-493/17). Auf dieser Grundlage muss nun das
Bundesverfassungsgericht den nationalen Rechtsstreit entscheiden.

Im Zuge der europäischen Finanzkrise hatte die EZB mehrere
Kaufprogramme für Wertpapiere aufgelegt. Ziel war es, die Zinsen zu
drücken und Geld leichter verfügbar zu machen. Banken sollten dadurch
einfacher Kredite an Unternehmen vergeben können. Die Wirtschaft und
die Inflation sollten damit angekurbelt werden.

Im aktuellen Streitfall ging es um ein Teilprogramm namens PSPP
(Public Sector Asset Purchase Programme) zum Kauf von Wertpapieren
des öffentlichen Sektors. Es startete im März 2015. Monat für Monat
wurden dabei an den Sekundärmärkten Anleihen für zweistellige
Milliardenbeträge gekauft. Das heißt, dass die jeweiligen nationalen
Notenbanken nicht direkt von den ausgebenden Staaten kauften, sondern
bereits im Umlauf befindliche Papiere von Investoren erwarben.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte den EuGH um eine
rechtliche Bewertung gebeten. Die Karlsruher Richter hatten Bedenken,
das Programm könne das Mandat der EZB sowie Zuständigkeiten der
EU-Staaten verletzen. Mittlerweile haben die Euro-Notenbanken
Wertpapiere von rund 2,6 Billionen Euro erworben. Doch inzwischen
läuft die Wirtschaft besser. Es wird erwartet, dass die EZB an diesem
Donnerstag formal das Ende neuer Anleihenkäufe zum Jahresende 2018
beschließen wird.

Die Kläger um die Euro-Kritiker und früheren AfD-Politiker Bernd
Lucke und Hans-Olaf Henkel kritisieren, dass die EZB durch das
Kaufprogramm zum größten Gläubiger der Euro-Staaten aufgestiegen sei.

Aus ihrer Sicht finanziert die EZB dadurch zudem massiv die
Staatsverschuldung.

Die Luxemburger Richter erklärten nun, dass die Prüfung der vom
Verfassungsgericht vorgelegten Fragen nichts ergeben habe, was die
Rechtmäßigkeit des Kaufprogramms beinträchtigen könnte. Um ihr Ziel

der Preisstabilität und einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent
im Euroraum zu erreichen, müsse die EZB zwangsläufig Maßnahmen
ergreifen, die sich auf die Realwirtschaft auswirkten.

Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise können Unternehmen und
Verbraucher grundsätzlich dazu bringen, Investitionen aufzuschieben.
Damit kann eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und
schrumpfender Wirtschaft ausgelöst werden.

Außerdem würden keine einzelnen Staaten bevorzugt, argumentierten die
Luxemburger Richter weiter. Das Kaufprogramm richte sich nicht nach
deren Finanzierungsbedürfnissen. Die Käufe erfolgten vielmehr über
einen festgelegten Schlüssel.

Der Kauf von Papieren mit einem hohen Risiko sei nicht erlaubt,
erklärten die Richter weiter, und es gebe strenge Ankaufobergrenzen.
Unterm Strich habe das Programm nicht die gleiche Wirkung wie der
Ankauf von Anleihen an den Primärmärkten und nehme den Staaten nicht
den Anreiz, eine solide Haushaltspolitik zu verfolgen.

Die EZB nehme das Urteil zur Kenntnis, sagte ein Sprecher. Die Kläger
zeigten sich hingegen schwer enttäuscht. «Das Urteil ist
erschreckend», sagte der Europaabgeordnete der Liberal-Konservativen
Reformer (LKR), Bernd Lucke. Die europäischen Verträge würden damit

ausgehöhlt. Und: «Der Europäische Gerichtshof ist auf einige sehr
präzise gestellte Fragen des Bundesverfassungsgerichts und einige
Argumente der Kläger überhaupt nicht eingegangen.»