Nach Brexit-Debakel sehen Ökonomen Chance für neues Referendum

16.01.2019 09:47

Frankfurt/Main (dpa) - Nach der gescheiterten Brexit-Abstimmung im
britischen Parlament halten Ökonomen ein zweites Referendum in
Großbritannien über die EU-Mitgliedschaft des Landes für möglich.
«Neuwahlen oder ein erneutes Referendum sind damit wesentlich
wahrscheinlicher geworden, aber auch das Risiko eines ungeordneten
Ausstiegs ist deutlich gestiegen», sagte Allianz-Chefvolkswirt
Michael Heise. Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg
Krämer dürften sich Großbritannien und die EU darauf einigen, den
Austrittstermin um drei Monate auf Ende Juni zu verschieben, um Zeit
zu gewinnen.

«Vermutlich reift in dieser Phase in Großbritannien die Einsicht, die
Briten ein zweites Mal über den Brexit abstimmen zu lassen. Das halte
ich für wahrscheinlicher als einen ungeordneten Brexit, der zu großen
wirtschaftlichen Problemen führen würde.» Zugleich kritisierte Kräm
er
am Mittwoch, dass die Europäische Union (EU) Großbritannien in der
Nordirland-Frage nicht stärker entgegen gekommen sei. Es räche sich
nun, «dass die EU Großbritannien abstrafen wollte, um andere
potenzielle Austrittskandidaten abzuschrecken». Nicht die Angst vor
den Folgen eines Austritts, «sondern nur die eigene Attraktivität
hält die EU langfristig zusammen».

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland, hält zwei
Szenarien in den kommenden Monaten für realistisch - ein zweites
Referendum oder einen Brexit ohne Abkommen. «Europa ist jetzt gut
beraten, so viel Vorbereitungsmaßnahmen wie noch möglich gegen die
Folgen einen harten Brexits zu treffen.»