«Valentinstags-Massaker»: Neue Brexit-Schlappe für May im Parlament Von Christoph Meyer und Silvia Kusidlo, dpa

14.02.2019 20:21

Die Mehrheit im Parlament für Änderungen am Brexit-Abkommen entpuppt
sich immer mehr als Illusion. Gestoppt wird die Premierministerin
zwar zunächst nicht, doch ihre Glaubwürdigkeit schwindet weiter. Am
27. Februar dürfte es zum großen Showdown im Unterhaus kommen.

London (dpa) - Sechs Wochen vor dem EU-Austritt Großbritanniens hat
Premierministerin Theresa May am Donnerstag eine neue Brexit-Schlappe
im Parlament hinnehmen müssen. Die Abgeordneten votierten in London
mit 303 zu 258 Stimmen gegen eine Beschlussvorlage, die sowohl ein
Mandat für Nachverhandlungen am Brexit-Deal als auch eine Absage an
den EU-Austritt ohne Abkommen bestätigen sollte.

May wollte sich eigentlich vom Parlament nur den Segen für eine
Verlängerung ihrer Gespräche mit der Europäischen Union geben lassen.

Sie war bei der Abstimmung nicht dabei. In einer Mitteilung der
Regierung hieß es kurz nach der Niederlage, die Premierministerin
halte dennoch an ihrer Strategie fest. «Der Beschluss vom 29. Januar
bleibt der einzige, bei dem das Unterhaus zum Ausdruck gebracht hat,
was es will.»

Die Abgeordneten hatten May damals den Auftrag gegeben, das mit
Brüssel vereinbarte Austrittsabkommen nachzuverhandeln. Die
Premierministerin hatte sich zum Erstaunen Brüssels hinter den Antrag
gestellt und war damit auf Schmusekurs zu den Brexit-Hardlinern
gegangen. Doch ausgerechnet am Valentinstag ist der Flirt nun zu
Ende. Die Brexit-Hardliner versagten May die Gefolgschaft.

Stein des Anstoßes war, dass gleichzeitig auch eine weitere
Entscheidung des Parlaments aus der ersten Abstimmungsrunde bestätigt
werden sollte: die Ablehnung eines Brexits ohne Abkommen mit
chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere
Lebensbereiche. Obwohl das Votum keine bindende Wirkung hatte,
wollten einige Brexit-Hardliner das nicht mittragen.

Damit schwindet zunehmend die Glaubwürdigkeit der Regierungschefin,
doch noch eine Mehrheit für ein Brexit-Abkommen im Parlament zu
bekommen. May will der EU rechtlich verbindliche Änderungen am
Brexit-Vertrag abtrotzen, obwohl Brüssel dazu nicht bereit ist.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn kritisierte May scharf dafür, dass
sie bei der Abstimmung am frühen Abend nicht anwesend war. Der
Präsident des Unterhauses, John Bercow, betonte jedoch, dass die
Premierministerin nicht dazu verpflichtet gewesen sei.

«Das ist ein Valentinstags-Massaker für die Regierung und ein
vernichtendes Urteil für den Brexit-Plan der Premierministerin»,
sagte der Labour-Abgeordnete David Lammy, der ein zweites
Brexit-Referendum befürwortet.

Die Pro-EU-Rebellin Anna Soubry aus der regierenden Konservativen
Partei meinte nach der Abstimmung: «Das ist ein absolutes Fiasko.»
Großbritannien werde zur Lachnummer der Welt.

Für May ist die Niederlage eine weitere Demütigung. Erneut ist völlig

offen, für welchen Brexit-Kurs eine Mehrheit im heillos zerstrittenen
Parlament möglich wäre. Das Risiko eines ungeordneten Brexits
(No Deal) steigt damit weiter.

Zur Stunde der Wahrheit im Streit um den EU-Austritt dürfte es im
Unterhaus am 27. Februar kommen. Dann will May erneut über die
weiteren Schritte abstimmen lassen. Es wird bereits die dritte
Abstimmungsrunde seit der Niederlage für Mays Brexit-Deal im
Parlament sein.

Sollte die Regierungschefin auch bis dahin keine Mehrheit
zusammenbekommen, droht eine Rebellion der EU-freundlichen
Abgeordneten. Eine parteiübergreifende Gruppe von Parlamentariern
will May zum Verschieben des EU-Austritts zwingen, um einen
No-Deal-Brexit zu verhindern.

Großbritannien will bereits am 29. März die Staatengemeinschaft
verlassen. Mitte Januar hatte das Parlament das von May mit der
EU ausgehandelte Brexit-Abkommen mit überwältigender Mehrheit
abgelehnt. Wann das Parlament erneut über den Deal abstimmen soll,
ist immer noch unklar.

Von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald
Tusk gab es am Donnerstagabend zunächst keine Reaktion auf Mays
Abstimmungsniederlage. Ein Kommissionssprecher bestätigte lediglich,
dass für kommende Woche weitere Gespräche mit Brexit-Minister Stephen
Barclay geplant seien.