Ex-AfD-Chef Lucke: Verleger Kubitschek hat mehr Einfluss als Höcke Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

15.04.2019 14:05

Bernd Lucke ist noch so bekannt, dass Fremde tuscheln, wenn sie ihn
sehen. Ob das bei der Europawahl für ein Mandat reicht? In einem Buch
beschreibt er jetzt, was in der EU schlecht läuft - und wie die
«Verbitterten» in der AfD die Oberhand gewinnen konnten.

Berlin (dpa) - Der frühere AfD-Vorsitzende Bernd Lucke hält den
rechten Verleger Götz Kubitschek für den wichtigsten Strippenzieher
des Rechtsaußen-Flügels seiner einstigen Partei. Er selbst habe «erst

spät gemerkt», wie groß Kubitscheks Einfluss auf die Vertreter des
«Flügels» sei, räumte Lucke im Gespräch mit der Deutschen
Presse-Agentur ein. Er erklärte, erst der starke innerparteiliche
Protest gegen die Entscheidung der Parteispitze vom Februar 2015,
Kubitschek und dessen Ehefrau nicht in die AfD aufzunehmen, habe ihm
vor Augen geführt, «was für Netzwerke er schon in der Partei hatte -

nicht nur im Osten». Lucke war von April 2013 bis Juli 2015 AfD-Chef.

Zu den wichtigsten Vertretern des «Flügels» gehören aktuell der
Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke und der Brandenburger
AfD-Chef Andreas Kalbitz. Kubitschek, der den Antaios-Verlag und das
«Institut für Staatspolitik» in Schnellroda (Sachsen-Anhalt)
betreibt, ist nach Angaben von Parteisprecher Bastian Behrens bis
heute nicht Mitglied der Partei.

Lucke ist Europaabgeordneter und Spitzenkandidat der
Liberal-Konservativen Reformer (LKR) für die Europawahl Ende Mai. In
seinem Buch «Systemausfall» (Finanzbuchverlag), das diese Woche
erscheint, schreibt Lucke: «Es gibt viele AfD-Funktionäre, die
schlicht nur ein Werkzeug Kubitscheks sind. Wenn Höcke eines Tages
fallen sollte, wie (Sachsen-Anhalts ehemaliger
Landtagsfraktionsvorsitzender André) Poggenburg gefallen ist, dann
wird soldatisch ein anderer an seine Stelle treten.»

Höcke sei in seinen Augen nicht mehr als «Kubitscheks Lakai, der
strikte Maßgaben hat, bei welcher Gelegenheit er wie viel von dem
erkennen lassen darf, was Kubitschek ihn gelehrt hat», führt Lucke
weiter aus. Deshalb wirke Höcke als Redner nicht authentisch.

Lucke hatte die AfD verlassen, nachdem er bei der Neuwahl der
Parteivorsitzenden im Juli 2015 eine Niederlage hatte einstecken
müssen. Co-Vorsitzende wurden damals Jörg Meuthen und Frauke Petry.
Es sei sein größter Fehler gewesen, dass er Petry zu lange vertraut
habe, sagte Lucke am Montag in Berlin.

Auch Petry gehört der AfD inzwischen nicht mehr an. Lucke verpasst
ihr in seinem Buch einen Seitenhieb, indem er schreibt: «Wer den
Systemausfall bemerkt, kann den Kontrollverlust verhindern. Wenn er
nicht, wie Laokoon, einer Schlange zum Opfer fällt. Aber lassen wir
Frauke Petry aus dem Spiel.» In der griechischen Mythologie ist
Laokoon ein trojanischer Priester, der von Schlangen getötet wird.

Lucke kommt zu dem Schluss, die Zahl der «Verbesserer» in der AfD
habe seit 2015 stark abgenommen. Die «Verbitterten» und
«Verschwörungstheoretiker» hätten dagegen an Einfluss gewonnen. Er

führt aus: «Die Verbitterten in der AfD waren ein idealer Nährboden
für die, die das Saatgut völkischer Ideen ausstreuen wollten.»

Über die Hintergründe der Spendenaffäre, die seine ehemalige Partei
demnächst teuer zu stehen kommen könnte, weiß Lucke nach eigenem
Bekunden nichts. Konrad Adam war 2015 auch als AfD-Vorstand abgewählt
worden. Er blieb aber Parteimitglied. Adam sagt heute, Lucke habe die
AfD-Mitglieder immer vor Unregelmäßigkeiten finanzieller Art und vor
«Rechtsauslegern» gewarnt - «heute muss ich sagen - da hatte er
Recht».

Sein Buch sei eine «Kampfansage an die AfD», sagte Lucke. Er schreibt
darin aber nicht nur über seine Ex-Partei, sondern auch über Staaten,
«die sich irgendwie in den Euro verirrt haben und jetzt mit ihm nicht
klarkommen», und über mögliche Wege aus dem aktuellen Dilemma der
europäischen Asylpolitik. Damit ist Lucke wieder beim Gründungsimpuls
der AfD angekommen, die Anfang 2013 von einer Gruppe von
Euroskeptikern gegründet worden war. Sollte es Lucke bei der Wahl im
Mai nicht gelingen, erneut ein Mandat für das Europäische Parlament
zu erringen, will er seinen Ausflug in die Politik beenden - und als
Professor für Volkswirtschaft an die Universität Hamburg
zurückkehren.