«Wurstpate» und «Pasta Patrone»: Die Mafia als Marke Von Annette Reuther und Christoph Driessen, dpa

16.04.2019 07:29

Die Mafia wird in Deutschland immer noch als etwas Verruchtes,
irgendwie als cool angesehen. Warum sonst heißen so viele Restaurants
und Produkte nach Italiens berühmtem Exportartikel? Doch nicht alle
finden das witzig.

Rom/Köln (dpa) - «Cosa Nostra» steht über dem Eingang zu einem
Restaurant am Kölner Rheinufer. Daneben sieht man das Profil eines
Mannes mit Schlapphut und darunter den Schriftzug: «Für ehrenhafte
Gäste!» «Cosa Nostra» ist der Name für die sizilianische Mafia.
Unzählige Morde wurden in ihrem Namen verübt. Den Appetit verdirbt
das den Gästen anscheinend nicht. Denn in Deutschland und in vielen
anderen Ländern werden Namen, die in Verbindung mit der Mafia stehen,
gerne zu Werbezwecken benutzt.

Vom Hannoveraner Pizzalieferdienst «Mafia Pizza Express», über den
Berliner Imbiss «Wurstpate», die Dresdner Dinnershow «Mafia Mia!» b
is
zu Pasta in Pistolenform namens «Pasta Patrone», der scharfen
Gewürzmischung «Palermo Mafia Shooting» oder der Berliner
Sprachschule «Sprachmafia»: Scheinbar endlos sind die
Namensschöpfungen.

Der italienische Agrarverband findet die Namensspielereien nicht
komisch. «Der Missbrauch von Mafia-Namen ist ein Geschäft, das dem
Image von Produkten «Made in Italy» Schaden zufügt», erklärte
unlängst der Präsident des Verbandes Coldiretti, Ettore Prandini. Die
Stereotype spielten ein Problem hinunter, «das dem ganzen Land
Schmerz und Trauer gebracht hat». Dem Kampf gegen dieses Problem
widmet sich an diesem Dienstag auch die Europol-Konferenz zum
organisierten Verbrechen: Gemeinsam mit der Anti-Mafia-Einheit der
italienischen Polizei wird in den Haag über Strategien im Kampf gegen
die Banden beraten.

«Ich dachte, es muss etwas Italienisches sein, was man sich direkt
merken kann», erklärt Petra Bratu, die Besitzerin des Kölner
Restaurants «Cosa Nostra». Der Name bleibe im Gedächtnis. Um
klarzustellen, dass es keine Verbindungen zur Mafia gebe, habe sie
den Zusatz «Für ehrenwerte Gäste» gewählt.

Rund 1500 Kilometer weiter südlich sitzt Paola Pentassuglia in einem
riesigen grauen Bau in der Peripherie von Rom. Hier schlägt das Herz
aller Mafiajäger. In Italiens Anti-Mafia-Behörde laufen alle Fäden
zusammen, auch internationale Razzien werden hier koordiniert.
Pentassuglia leitet die Abteilung für präventive Ermittlungen. Sie
findet es «absurd», wenn im Ausland Pizzerien nach der Mafia benannt
werden. «Man banalisiert damit ein kriminelles Phänomen, (...) das
viele, viele Tote gebracht hat», sagt sie. «Es ist, als würde man
damit die Wahrnehmungsschwelle senken.»

Sie zeigt auf ein Bild auf ihrem Computer von einem Barbier-Shop in
Irland namens «Corleone Barbers». Corleone ist die sizilianische
Stadt, in der einige der berühmtesten Mafiosi zur Welt kamen. Die
Mafia-Familie in dem Filmklassiker «Der Pate» ist nach dem Ort
benannt. Und in Paris öffnete zuletzt die Tochter des verstorbenen
sizilianischen Mafiabosses Totò Riina ein Restaurant namens
«Corleone». In Italien wäre es «naiv», einen Laden nach der Mafia
zu
benennen, weil das sofort die Aufmerksamkeit der Ermittler auf sich
ziehen würde, sagt Pentassuglia. Andererseits gibt es auch dort
unzählige Souvenirs mit Motiven aus dem Mafia-Kultfilm «Der Pate».

Mittlerweile hat die Mafia in ihrer Heimat auch das untergraben, was
den Italienern wie ein Heiligtum am Herzen liegt: ihr Essen. Ob
Mozzarella, Olivenöl, Wein: Die sogenannte Agromafia verdient dabei
kräftig mit. Im vergangenen Jahr setzte sie damit laut Agrarverband
sagenhafte 24,5 Milliarden Euro um. Am Dienstag sollte die
Anti-Mafia-Einheit der italienischen Polizei im niederländischen Den
Haag bei einer Europol-Konferenz über den Kampf gegen Banden beraten.

Im deutschen Bewusstsein schwankt immer noch eine gewisse Faszination
mit. Zwar gibt es immer wieder Razzien, die zeigen, dass die Mafia in
Deutschland längst Fuß gefasst hat. Spätestens seit den Mafia-Morde
n
von Duisburg im Jahr 2007, als sechs Menschen vor einer Pizzeria
erschossen wurde, ist die Mafia kein abstrakter Begriff mehr. Dennoch
fühlt man sich irgendwie angezogen und gleichzeitig abgestoßen. Wie
bei einem Krimi: Man liest über Mord und Totschlag und entspannt sich
dabei. Wie bei Jack the Ripper. Das war ein grausamer Frauenmörder,
aber heute ist ihm eine Unterhaltungsindustrie gewidmet.

In Deutschland sei die Mafia nicht so stark «im kollektiven
Gedächtnis» wie in Italien, sagt Sandro Mattioli vom deutschen Verein
Mafia Nein Danke. Wenn zwei Clans wie in Duisburg beteiligt waren,
«fragen sich die Leute, was hat das mit mir zu tun?». TV-Serien und
Filme über böse Bosse tun das Übrige. «Filme wie «Der Pate» hab
en mit
ihrer Bildgewalt ein Faszinosum geschaffen. Die Mafia wird zu einem
coolen Phänomen, für das es in der Realität keine Entsprechung gibt.
»

Auch im «Cosa Nostra» in Köln hängen Bilder von Marlon Brando als
«Der Pate» und Robert De Niro in «Good Fellas - Drei Jahrzehnte in
der Mafia». Beschwerden habe es seit der Gründung vor zwölf Jahren
praktisch nicht gegeben, erzählt Besitzerin Bratu. Und wenn, dann
ausschließlich von Italienern. «Irgendwann mal hat eine italienische
Familie gesagt: «Nein, nein, Cosa Nostra - da gehen wir nicht rein.
Mit denen haben wir nichts zu tun.»» Viele Besucher würden die
Bedeutung des Namens aber gar nicht kennen. «Wäre ich Italienerin,
hätte ich wahrscheinlich den Namen nicht so gewählt. Aber so habe ich
mir damals überhaupt nichts Übles dabei gedacht.»