EU-Ratspräsident verteidigt Brexit-Aufschub - Maas warnt Briten

16.04.2019 14:44

Dürfen EU-Politiker von einem britischen Rückzug vom Brexit träumen?

EU-Ratspräsident Donald Tusk sagt Ja und verteidigt im
Europaparlament den langen Aufschub des britischen Austrittstermins.
Abgeordnete blicken vor allem gespannt auf die bevorstehenden Wahlen.

Straßburg (dpa) - EU-Ratspräsident Donald Tusk hat vor dem
Europaparlament die Entscheidung für eine mehrmonatige Verschiebung
des Brexit-Datums verteidigt. Der Aufschub bis zum 31. Oktober
erlaube es der EU, sich auf andere wichtige Themen wie den Handel mit
den USA zu konzentrieren, sagte er am Dienstag in Straßburg. Zugleich
sorge die Verschiebung dafür, dass es vorerst nicht zu einem
ungeregelten Austritt Großbritanniens komme und dass die Briten
weiter alle Optionen auf dem Tisch hätten. Dazu gehöre auch die
Möglichkeit, den Austritt aus der EU grundsätzlich zu überdenken.

In diesem Zusammenhang übte Tusk auch Kritik an Politikern wie
Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Er hatte beim EU-Gipfel
vergangene Woche dazu aufgerufen, nicht davon zu träumen, dass die
Brexit-Entscheidung noch rückgängig gemacht werden könnte. «Ich w
ürde
sagen, dass wir in diesen eher schwierigen Zeiten unserer Geschichte
Träumer und Träume brauchen», erklärte Tusk. Zumindest er werde nic
ht
aufhören, von einem besseren und vereinten Europa zu träumen.

«Ich weiß, dass auf beiden Seiten des Ärmelkanals jeder erschöpft v
om
Brexit ist», sagte Tusk vor den Europaabgeordneten. Dies dürfe aber
nicht dazu führen, dass man sage, der Brexit müsse nun einfach über
die Bühne gebracht werden. «Egal was passiert, wir sind durch das
gemeinsame Schicksal vereint und wollen auch in Zukunft Freunde und
enge Partner bleiben», erklärte Tusk.

Der EU-Ratspräsident spielte mit seinen Äußerungen darauf an, dass es

auch aus dem Europaparlament Kritik an einem längeren Brexit-Aufschub
gegeben hatte. Abgeordnete fürchten, dass bei der Europawahl Ende Mai
erneut auch viele britische EU-Gegner ins Parlament gewählt werden
könnten.

Absagen kann Großbritannien die Teilnahme an der Europawahl nämlich
nur dann, wenn Premierministerin Theresa May das mit der EU
ausgehandelte EU-Austrittsabkommen doch noch durchs Parlament bringt
und vor dem Wahltermin auch die Ratifizierung abgeschlossen wird.
Dass dies gelingt, gilt als unwahrscheinlich, da es in London weiter
parteiübergreifend große Differenzen darüber gibt, wie
beziehungsweise ob der per Referendum angestoßene EU-Austritt
umgesetzt werden soll.

Europaabgeordnete äußerten sich am Dienstag unterschiedlich zu den
weiter ungewissen Aussichten. Der sozialdemokratische Fraktionschef
Udo Bullmann unterstützte die Gipfel-Entscheidung zum Brexit-Aufschub
und machte deutlich, dass er im Fall einer Europawahl-Teilnahme der
Briten neue Diskussionen über das weitere Vorgehen erwartet. «Es wird
der Anfang vom Ende des Brexits sein, davon bin ich überzeugt», sagte
er.

Der europakritische britische Politiker Nigel Farage zeigte sich
hingegen frustriert und gab May die Schuld für die verfahrene
Situation. Wenn man «dieser fürchterlichen Premierministerin» die
Sache überlasse, werde es auch am 31. Oktober nicht zum Brexit
kommen, erklärte er.

Außenminister Heiko Maas (SPD) warnte die Briten vor einer weiteren
Verschiebung ihrer Brexit-Entscheidung über Oktober hinaus. «Sie
müssen bis Oktober entscheiden, was sie wollen», sagte Maas der
britischen Zeitung «Financial Times» (Dienstag). Man könne den
Brexit-Prozess nicht über ein Jahrzehnt ausdehnen. «Eine weitere
Verlängerung könnte das Signal senden, dass sie am Ende doch in der
EU bleiben wollen», sagte er.