Grünes Licht für Fernwärmerückkauf in Hamburg Von Martin Fischer, dpa

17.04.2019 15:26

In einem Volksentscheid hat sich Hamburg 2013 entschieden, die
Energieversorgung wieder in städtische Hand zu bringen. Bei Strom und
Gas ist das schon geschehen. Bei der Fernwärme ist man jetzt auf der
Zielgeraden.

Brüssel/Hamburg (dpa/lno) - Der Rückführung des Hamburger
Fernwärmenetzes in die öffentliche Hand steht nichts mehr im Wege.
Der zwischen der Stadt und dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall
vereinbarte Rückkauf des gesamten Wärme-Unternehmens für 950
Millionen Euro sei von der EU-Kommission als «beihilfefrei» und
«marktkonform» beurteilt worden - «ohne weitere Auflagen», sagte
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Mittwoch bei einer kurzfristig
einberufenen Pressekonferenz im Rathaus. Der grüne Umweltsenator Jens
Kerstan sprach von einem großen Tag. «Ein langer Prozess ist auf der
Zielgeraden und kommt zu einem guten Ende.»

Mit der Brüsseler Entscheidung kann Hamburg einen Volksentscheid von
2013 vollständig umsetzen und nach dem Strom- und Gasnetz nun auch
die Fernwärme wieder komplett übernehmen. Die Stadt hatte seit Ende
der 1990er die Mehrheit an den städtischen Versorgungsunternehmen
verkauft. «Das ist jetzt zu einem großen Teil wieder geheilt worden»,

sagte Kerstan.

Die beihilferechtliche Prüfung der EU-Kommission war nötig geworden,
da der bereits 2014 mit Vattenfall vereinbarte Kaufpreis deutlich
über dem aktuellen Unternehmenswert liegt. Der Rückkauf wurde dadurch
um Monate verzögert. Ursprünglich sollte er bereits zu Jahresbeginn
erfolgen.

Die Stadt hält bereits 25,1 Prozent an der Fernwärme-Gesellschaft.
625 Millionen sind nun noch für das Ganze fällig. Zuvor müssten
allerdings noch in einem sogenannten «Carve-out» mit Vattenfall die
wärmerelevanten Teile aus dem Energiekonzern «herausgeschnippelt»
werden, sagte Dressel. «Unser Ziel ist, im Sommer den Kaufvertrag zu
unterzeichnen und zu vollziehen.» Auch Vattenfall begrüßte die
Entscheidung der Kommission. «Das gemeinsame Ziel ist unverändert die
zügige Übertragung der Fernwärmegesellschaft», sagte Deutschland-Ch
ef
Tuomo Hatakka.

Für Hamburg gehe es nicht nur um die Umsetzung des Volksentscheids.
Das Fernwärmenetz in städtischer Hand leiste auch einen ganz
wesentlichen Beitrag, damit Hamburg seine Klimaziele erreichen kann,
sagte Kerstan. «Unmittelbar an steht jetzt die Ablösung des
Kraftwerks Wedel.» Das in die Jahre gekommene Kohlekraftwerk
versorgt rund 120 000 Haushalte in Hamburgs Westen mit Wärme - aus
Steinkohle.

Kerstan will es möglichst rasch stillegen. «Unser Ziel ist immer noch
die Heizperiode 2023.» Bis dahin soll ein Mix aus der Nutzung
industrieller Abwärme und Müllverbrennung sowie ein neues
Gaskraftwerk und ein neuartiger Tiefen-Wärmespeicher im Hafen Ersatz
liefern und die «Wärmewende» einleiten. Eine Umstellung des
Kohlekraftwerks Tiefstack auf Gas soll Mitte der 20er Jahre folgen.
«2030 wird die Hamburger Wärmeversorgung kohlefrei sein», verspricht

der Umweltsenator.

Bei den dafür nötigen Investitionen wollten sich weder der Finanz-
noch der Umweltsenator festlegen. «Es wird nicht ein Vielfaches des
Gesamtkaufpreises sein», sagte Kerstan lediglich. Fest stehe aber,
betonten beide, dass die Preisentwicklung für die Wärmekunden künftig

nicht über der anderer Energieträger liegen solle. Diese
«Preisgarantie», die Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) den
Bürgern im vergangenen Jahr bei der Nutzung der Kaufoption gegeben
hatte, sei bei allen Überlegungen oberste Maxime, sagte Dressel.