EuGH: Kriminelle Flüchtlinge dürfen mitunter nicht abgeschoben werden

14.05.2019 14:39

Ein Asylbewerber begeht in der EU eine schwere Straftat. Darf er
deshalb abgeschoben werden? Und stehen die EU-Regeln in Einklang mit
der Genfer Flüchtlingskonvention? Der EuGH hat nun entschieden.

Luxemburg (dpa) - Schwer kriminelle Flüchtlinge dürfen nach einem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs unter Umständen nicht
abgeschoben werden. Der Entzug oder die Verweigerung des Asylrechts
nach EU-Recht beeinträchtige nicht den Anspruch auf Schutz durch die
Genfer Flüchtlingskonvention und die EU-Grundrechte, urteilten die
höchsten EU-Richter am Dienstag in Luxemburg (Rechtssachen C-391/16,
C-77/17 C-78/17). Die Bundesregierung sieht sich durch das Urteil
bestätigt. Aus Italien kam hingegen eine ganz andere Reaktion.

Hintergrund sind die Klagen dreier Asylbewerber, denen Belgien
beziehungsweise Tschechien die Anerkennung verwehrten, nachdem sie
wegen besonders schwerer Straftaten verurteilt worden waren. Der EuGH
sollte klären, ob der Entzug dieses Flüchtlingsstatus' nach EU-Regeln
mit dem Genfer Abkommen und den Grundrechten der EU vereinbar ist.

Nach Ansicht der Richter ist er das. Sie weisen zunächst darauf hin,
dass Drittstaatenangehörige, die eine begründete Furcht vor
Verfolgung in ihrem Herkunftsland haben, als Flüchtling im Sinne des
Genfer Abkommens einzustufen sind. Dies gelte unabhängig davon, ob
ihnen dieser Status förmlich nach EU-Recht verliehen worden sei.

Außerdem dürften Menschen nach der EU-Grundrechtecharta nicht in ein
Land abgeschoben werden, in dem Folter oder unmenschliche sowie
erniedrigende Strafen drohen. Das Verhalten des Betroffenen - also
auch kriminelles - spiele dabei keine Rolle. Hier gehe der Schutz
durch die EU-Regeln, die sich auch auf die Grundrechtecharta berufen,
über den der Flüchtlingskonvention hinaus.

Die Richter betonen jedoch, dass eine Person, deren Asylantrag nicht
stattgegeben oder deren Asylstatus aberkannt wird, in der EU nicht
über die gleichen Rechte verfügt wie ein förmlich anerkannter
Asylbewerber.

Die Bundesregierung sieht ihre Haltung durch das Urteil vom Dienstag
bestätigt. Der EuGH habe nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass es in
jenen Fällen, in denen im Heimatland Folter drohe, ein
Abschiebeverbot gebe, sagte Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU)
dem Sender n-tv. Die Richter hätten zudem klargestellt, «dass
Schutzsuchenden oder auch anerkannten Schutzsuchenden sehr wohl der
Schutzstatus verwehrt werden oder aberkannt werden kann, wenn sie
sich einer schweren Straftat schuldig machen».

Zugleich betonte Mayer, die Bundesregierung wolle das Abschieberecht
noch verschärfen. Vor allem «die rechtlichen Möglichkeiten
Abschiebehaft oder das Ausreisegewahrsam anzuordnen» sollten
erleichtert werden.

Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini kritisierte das Urteil
hingegen. Es zeige, wie wichtig es sei, «dieses Europa zu verändern»,

erklärte er. «Ich ändere meine Meinung und auch das Gesetz nicht: Die

«Asylbewerber», die vergewaltigen, klauen und dealen, kehren alle in
ihre Heimat zurück.»