Theresa May berät über geplanten Rücktritt mit Chef von Parteikomitee

24.05.2019 04:45

Gibt die britische Premierministerin May nicht freiwillig einen
Termin für ihren Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt, droht ihr ein
Misstrauensvotum. Kooperiert sie, bleiben ihr womöglich noch einige
Wochen.

London (dpa) - Die britische Premierministerin Theresa May berät an
diesem Freitag mit dem Vorsitzenden eines einflussreichen Komitees
ihrer Konservativen Partei über ihren geplanten Rücktritt. Es wird
erwartet, dass sich May bei dem Treffen mit Graham Brady vom
1922-Ausschuss auf ein Datum für ihren Abschied als Parteichefin
festlegen wird. Damit wären wohl auch ihre Tage als Premierministerin
gezählt. Beide Ämter sind in Großbritannien traditionell miteinander

verknüpft. Ihr blieben möglicherweise aber noch einige Wochen im
Regierungssitz Downing Street, bis ein Nachfolger gewählt ist. Als
aussichtsreicher Kandidat gilt Ex-Außenminister Boris Johnson.

Eigentlich wollte May den Zeitplan für ihren Abtritt erst nach der
Abstimmung über ihren Brexit-Gesetzentwurf Anfang Juni vorlegen. Doch
die Pläne waren im Parlament auf soviel Widerstand gestoßen, dass es
wohl nicht mehr zu einem Votum darüber kommen wird. Die für Freitag
geplante Veröffentlichung des Gesetzentwurfs wurde wieder abgesagt.

Das nun auf Eis gelegte Gesetzgebungsverfahren gilt als letzte
Chance, um das mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Abkommen Mays noch
zu retten, das das britische Unterhaus bereits dreimal abgelehnt
hatte. Die Premierministerin hatte dazu Zugeständnisse an
Brexit-Hardliner in ihrer konservativen Partei und die Opposition
angekündigt. Auch eine Abstimmung, ob der Deal den Briten in einem
Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden soll, war geplant. May
hatte den Vorstoß, den sie als «groß und kühn» und als «neuen
Brexit-Deal» bezeichnete, noch am Mittwoch im Parlament verteidigt.

Die Reaktionen darauf waren jedoch vernichtend gewesen. Sowohl aus
den Reihen ihrer konservativen Tories als auch aus der Opposition
hagelte es Kritik und Rücktrittsforderungen. Die Ministerin für
Parlamentsfragen, Andrea Leadsom, legte am Mittwochabend aus Protest
gegen die Pläne ihr Amt nieder. An ihre Stelle trat am Donnerstag Mel
Stride, der zuvor als Staatssekretär im Finanzministerium tätig war.

Britische Journalisten spekulierten, May könnte den Parteivorsitz bis
spätestens 10. Juni abgeben. Während des anschließenden mehrwöchige
n
Auswahlverfahrens für einen Nachfolger aber die Amtsgeschäfte
zunächst weiterführen. Damit wäre sie während des Staatsbesuchs von

US-Präsident Donald Trump in Großbritannien (3.-5. Juni) noch im Amt.


Das 1922-Komitee ist für die Organisation der Wahl des Parteichefs
und auch seine Abwahl zuständig. Bislang kann ein Misstrauensvotum
nur einmal in zwölf Monaten stattfinden. Ein entsprechender Versuch
war im vergangenen Dezember gescheitert. Mitglieder drohten bereits,
das Gremium könnte die Regeln ändern, um schnell ein neues
Misstrauensvotum gegen die Parteichefin zu ermöglichen, sollte sich
May weigern zu gehen. Berichten zufolge soll es dazu bereits am
Mittwochabend eine geheime Abstimmung gegeben haben, um am Freitag
schnell handeln zu können. May müsste sich dann möglicherweise
während des Trump-Besuchs einem Misstrauensvotum stellen.

Das 1922-Komitee entstand aus einer Initiative von Abgeordneten aus
dem Jahr 1922, die damit die innerparteiliche Zusammenarbeit
verbessern wollten. Die eigentliche Gründung war aber erst 1923.