Sinkende Zahlungen der EU könnten Freiwilligendienst gefährden

16.06.2019 06:30

Sie arbeiten in Kindertagesstätten oder Sportvereinen und engagieren
sich für den Naturschutz: Junge Freiwillige, die ein Thüringenjahr
absolvieren. Doch die weitere Finanzierung dieses Dienstes ist nach
Einschätzung der Träger ungewiss.

Erfurt (dpa/th) - Die Träger von sozialen Diensten in Thüringen
bangen um die Finanzierung von hunderten Stellen für
Freiwilligendienste ab 2021. «Wir befürchten, dass aufgrund der
anstehenden Kürzungen der Europamittel, dies Auswirkungen auf die
kommenden Jahre hat und freiwilliges gesellschaftliches Engagement -
wie im Thüringenjahr - so nicht fortgeführt werden kann», sagte ein
Sprecher der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Thüringen der
Deutschen Presse-Agentur.

Über den Europäischen Sozialfonds (ESF) fließen seit 2014 bis Ende
2020 rund 500 Millionen Euro in den Freistaat. Wie ein Sprecher des
Thüringer Sozialministeriums sagte, gehe man davon aus, dass ab 2021
weniger Geld aus der Europäischen Union kommen werde. Entschieden ist
dazu aber noch nichts.

Nach Angaben der Liga der freien Wohlfahrtspflege sind in der
aktuellen Förderperiode des ESF in Thüringen jährlich etwa 900
Freiwilligenplätze durch die EU-Mittel sowie Landesgeld bezuschusst
worden. Die Förderperiode läuft Ende 2020 aus.

Sollten die EU-Mittel nicht durch andere Zahlungen an die Träger
ausgeglichen werden, kämen auf die Einsatzstellen der Freiwilligen
Mehrbelastungen zu, betonte der Sprecher. «Das wäre dann ein sehr
großes Problem.»

Beim Thüringenjahr verpflichten sich Menschen im Alter bis 27 Jahren
dazu, freiwillig in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu
arbeiten. Besonders beliebt sind nach Angaben des
Bildungsministeriums Einsätze in Kindertagesstätten sowie im Bereich
des Sports und des Naturschutzes. Nach Angaben der Liga erhalten die
Freiwilligen für ihren Dienst Taschengeld und Verpflegungsgeld in
Höhe von 300 Euro monatlich. Die Fahrtkosten zu ihrer Einsatzstelle
müssen sie etwa selbst aufbringen.

Vor dem Hintergrund der drohenden Finanzierungslücke für die
Freiwilligendienste kommen aus der Landespolitik Bekenntnisse dazu,
diese Form des bürgerschaftlichen Engagements weiterhin aus dem
Haushalt des Freistaates fördern zu wollen. Die Freiwilligen
leisteten so wertvolle Arbeit, dass es dafür auch in Zukunft
Landesgeld geben müsse, sagte beispielsweise die
SPD-Sozialpolitikerin Diana Lehmann. Sie machte aber auch klar, dass
die Stellen weiter auch aus einer anderen Finanzierungsquelle
mitgespeist werden müssten. «Wir werden das alleine als Land nicht
stemmen können.»

Deshalb forderte Lehmann für die Zukunft Bundesmittel zur
Finanzierung des Thüringenjahrs. Die Gelder könnten zum Beispiel über

das von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) angestrebte
Demokratiefördergesetz bereitgestellt werden, sagte sie.

Lehmann und der Liga-Sprecher betonten, das Thüringenjahr könne
helfen, dem Mangel an Pflegekräften in Thüringen und Deutschland zu
begegnen. Zwar könnten und sollten die Freiwilligen keine
Fachkräfte-Lücke schließen, erklärten beide. Sie können die
Fachkräfte in ihrer Arbeit jedoch unterstützen. Vor allem aber seien
diese Dienste eine Möglichkeit bei jungen Menschen das Interesse für
soziale Berufe zu wecken.