EU baut mit Mercosur-Staatenbund weltweit größte Freihandelszone auf

28.06.2019 21:35

Inmitten des ungelösten Handelsstreits der führenden
Volkswirtschaften USA und China setzen Europäer und Südamerikaner ein
Zeichen für Zusammenarbeit: Die größte Freihandelszone der Welt ist
beschlossene Sache.

Brüssel/Buenos Aires (dpa) - Die EU und der südamerikanische
Staatenbund Mercosur wollen gemeinsam die größte Freihandelszone der
Welt aufbauen. Nach jahrelangen Verhandlungen sei eine politische
Einigung erzielt worden, bestätigte EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker am Freitagabend. Er sprach von einem
«historischen Moment» und großartigen Nachrichten für Unternehmen,

Arbeitnehmer und die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantik.

Zum Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nannte das Abkommen
historisch. «Dies wird eines der wichtigsten Handelsabkommen aller
Zeiten sein und unserer Wirtschaft enorme Vorteile bringen.
Großartiger Tag»», twitterte er.

Das Abkommen berührt nach Angaben der EU-Kommission 780 Millionen
Menschen in beiden Staatengruppen. Es soll Unternehmen in der EU
jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und so Exporte
ankurbeln. So wurden bisher zum Beispiel 35 Prozent Zoll auf Autos
fällig, die in den Mercosur geliefert wurden. Auch die Abgaben auf
landwirtschaftliche Produkte sollen beschnitten werden.

EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan räumte ein, das werde einige
Herausforderungen für europäische Bauern bringen. Doch würden die
Märkte für Produkte aus dem Mercosur nur mit «sorgsam gemanagten
Quoten» geöffnet. Das werde verhindern, dass der EU-Markt überflutet

und der Wohlstand der Bauern hier bedroht werde.

Auch hohe Umweltstandards würden gesichert, betonte die Kommission.
Beide Seiten verpflichteten sich in dem Abkommen, das Pariser
Klimaschutzabkommen wirksam umzusetzen. Ein eigenes Kapitel zu
nachhaltiger Entwicklung regle Themen wie nachhaltiger Nutzung und
Erhaltung von Wäldern.

Sorge um die Ausbeutung des brasilianischen Regenwalds durch den
rechtspopulistischen Präsidenten Bolsonaro war einer der vielen
Kritikpunkte während der Verhandlungen mit dem Mercosur, die sich mit
Unterbrechungen seit dem Jahr 2000 hingezogen hatten. Umweltschützer
befürchten, dass die neuen Absatzmärkte für Fleisch- und Sojaexporte

aus Brasilien dazu führen könnten, dass Anbauflächen erweitert und
dafür der Amazonas-Regenwald weiter abgeholzt wird. Die Grünen und
Greenpeace erneuerten nach der Bekanntgabe des Deals ihre Kritik.

Lange umstritten waren auch mögliche Abmachungen zu Agrarimporten aus
Südamerika, die in Europa zu fallenden Preisen führen könnten. Viele

europäische Landwirte befürchten, dem Wettbewerb mit den
Agrargroßmächten aus Südamerika nicht gewachsen zu sein. Zum einen
wird im Mercosur in deutlich größerem Maßstab produziert, was
Kostenvorteile mit sich bringt. Zudem gehen die Landwirte in der
Region sehr großzügig mit Pflanzenschutzmitteln und Gentechnik um,
was viele Verbraucher in Europa kritisch sehen.

Die Streitpunkte könnten während der Ratifizierung des Abkommens in
den 28 EU-Staaten wieder hochkommen und Hindernisse aufbauen.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström betonte aber, es gebe viel
Zustimmung. Sobald der Text des Abkommens in allen Einzelheiten
ausgefertigt sei, werde er veröffentlicht. Die Mitgliedsstaaten
würden unterrichtet, dann werde das lange Ratifizierungsverfahren
starten. «Ich bin zuversichtlich, dass dies ein sehr, sehr guter Deal
ist», sagte Malmström am Freitagabend in Brüssel.

Die Exporte von EU-Unternehmen in die vier Mercosur-Staaten beliefen
sich 2018 auf rund 45 Milliarden Euro, in die andere Richtung waren
es Ausfuhren im Wert von 42,6 Milliarden Euro. Für den
lateinamerikanischen Staatenbund ist die EU bereits heute der
wichtigste Handels- und Investmentpartner.

Die Mercosur-Staaten exportieren vor allem Nahrungsmittel, Getränke
und Tabak in die EU. Von dort gehen wiederum vor allem Maschinen,
Transportausrüstungen sowie Chemikalien und pharmazeutische Produkte
nach Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

«Der Vertrag hat ein enormes Potenzial, um die Investitionen zu
erhöhen. Das ist fundamental, um nachhaltiges Wachstum und
Arbeitsplätze zu schaffen sowie die Armut in unserem Land zu
bekämpfen», schrieb der argentinische Finanzminister Nicolás Dujovne

am Freitagabend auf Twitter.

Neben der wirtschaftlichen Dimension hat das geplante Abkommen auch
eine politische. Die EU will angesichts der aktuellen Politik der USA
ein Zeichen für freien und fairen Handel setzen - vor allem, nachdem
US-Präsident Donald Trump die Pläne für das transatlantische
Freihandelsabkommen TTIP einstampfte und auch die US-Beteiligung am
Pazifik-Handelsabkommen TPP aufkündigte. «Inmitten internationaler
Handelsspannungen senden wir das starke Signal, dass wir für
regelbasierten Handel stehen», schrieb Juncker.