Grünes Licht für Vodafone: Brüssel erlaubt Unitymedia-Übernahme Von Alkimos Sartoros und Wolf von Dewitz, dpa

18.07.2019 16:24

Nach der Nachricht aus Brüssel dürften bei Vodafone die Sektkorken
geknallt haben, während es bei der Telekom Grund für schlechte Laune
gab. Vodafone darf Unitymedia schlucken - und deutlich größer werden
als bisher. Auswirkungen für die Verbraucher bleiben abzuwarten.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission hat eine weitreichende Fusion am
deutschen Telekommunikationsmarkt erlaubt und damit Vodafone
erheblich gestärkt. Die Übernahme des Kölner Kabelnetzbetreibers
Unitymedia werde unter Auflagen genehmigt, teilte
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Donnerstag in Brüssel
mit. Die Bedingungen sollten sicherstellen, dass Kunden keine
Nachteile entstünden und sie weiterhin von fairen Preisen,
hochwertigen Dienstleistungen und innovativen Produkten profitieren
könnten, sagte sie. Die Fusion gefährde den Wettbewerb nicht. In der
Branche gibt es dennoch Unruhe.

Vodafone verfügt damit künftig über ein bundesweites Kabelnetz.
Vorher waren diesbezüglich die Bundesländer Nordrhein-Westfalen,
Hessen und Baden-Württemberg weiße Flecken für den Konzern - dort war

Unitymedia als Kabelnetzbetreiber tätig. In diesen weißen Flecken
musste Vodafone auf die Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom
setzen und Miete für Telefonleitungen zahlen, um Kunden trotz der
Nichtpräsenz Internet-Zugang (DSL/VDSL) zu ermöglichen - pro Jahr
überwies Vodafone eine halbe Milliarde Euro an den Bonner Rivalen.

Unitymedia ist zwar nur ein regionaler Anbieter, in seinen
Marktgebieten aber stark. Die Zentrale ist in Köln, mit 2500
Mitarbeitern kam die firma 2018 auf 2,5 Milliarden Euro Umsatz.

Den Brüsseler Auflagen zufolge muss Vodafone künftig seinen
Konkurrenten Telefónica auf das Kabelnetz lassen, um den Wettbewerb
zu sichern. Zudem dürften die Gebühren für frei empfangbare
Fernsehsender, die ihr Programm über Vodafones Kabelnetz übertragen
und Einspeiseentgelte zahlen, nicht erhöht werden.

Vodafone macht mit der Übernahme einen großen Satz nach vorne: Die
Zahl der Fernsehkunden schnellt nach Angaben des Unternehmens von 7,7
auf 14 Millionen in die Höhe, die Zahl der Internetkunden klettert
von 6,5 auf 10 Millionen. Viele Kunden nutzen den Kabelanschluss
sowohl zum Fernsehen als auch fürs Internet.

Vor etwa zwei Jahrzehnten hatte die Deutsche Telekom ihr TV-Kabelnetz
auf Druck der EU-Kommission abgegeben und sie an mehrere regionale
Anbieter veräußert. Damals war noch nicht absehbar, wie wichtig die
Fernsehkabel für den Internet-Zugang werden würden. Der Deutschen
Telekom blieb danach das Telefonkabel-Netz, über das sie bis heute
Internetverbindungen verkauft.

Der Nachteil daran: Im Vergleich zum Kabel-Internet sind die
VDSL-Verbindungen der Telekom langsamer - sie schaffen es auf maximal
0,25 Gigabit pro Sekunde im Download, während Vodafone es mit seinen
dickeren Fernsehkabeln auf ein Tempo von bis zu 1 Gigabit schafft.
Bis Ende 2022 sollen es 25 Millionen Haushalte sein, die versorgbar
wären mit Gigabit-Speed. Auf diese umfassenden Investitionen verwies
Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter am Donnerstag: «Wir
machen Gigabit massentauglich», sagte er.

Vodafone hatte im Frühjahr 2018 angekündigt, die Kabelnetze von
Liberty Global - in Deutschland unter dem Namen Unitymedia tätig -
auch in Ungarn, Tschechien und Rumänien für insgesamt etwa 18,4
Milliarden Euro übernehmen zu wollen. Dagegen hatte sich Kritik aus
verschiedenen Lagern formiert. Starke Vorbehalte kamen etwa von
regionalen Anbietern wie Netcologne. Der Bundesverband
Glasfaseranschluss Buglas warnte davor, dass mit der Stärkung des
TV-Kabelnetzes der Glasfaserausbau ausgebremst würde. Glasfaser
ermöglicht noch schnellere Übertragung, ist im Ausbau aber relativ
teuer. Fernsehsender wiederum befürchteten höhere Kosten, damit sie
die Programm auf die Fernseher der Vodafone-Kunden bringen dürfen.

Kritiker sahen ihre Befürchtungen nach der Brüsseler Entscheidung
bestätigt. Die Kommission zementiere das «Quasi-Monpol von Vodafone
im deutschen Verbreitungs- und Einspeisemarkt», monierte der Verband
Privater Medien (Vaunet), dem zum Beispiel RTL angehört. Der Buglas
bekräftigte, dass die Fusion Wettbewerb und Glasfaserausbau schade.

Sorgenfalten gab es auch bei der Deutschen Telekom. «Wir sind
überzeugt, dass die Auflagen nicht ausreichen, negative Auswirkungen
im Bereich der Medien- und Programmvielfalt abzuwenden», sagte ein
Sprecher. «Wir werden die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde
intensiv analysieren und dann entscheiden, ob eine gerichtliche
Überprüfung zum Schutz des Wettbewerbs geboten ist.» Für die Teleko
m
fallen künftig die Mieteinnahmen von Vodafone weg. Denn der
Konkurrent will eigene Kunden, die bisher Telekom-Leitungen nutzen,
wenn möglich auf das Vodafone-Kabelnetz «migrieren».

Der Branchenexperte Torsten Gerpott von der Universität
Duisburg-Essen kritisierte die Auflagen der EU-Kommission als
schwach. «Vodafone muss nur einen einzigen Konkurrenten auf sein
Kabelnetz lassen - warum nicht mehrere?» Auch die anderen Auflagen
«tun Vodafone nicht weh».

«Ein schärferes Schwert wäre eingesetzt worden, wenn Vodafone dazu
verpflichtet worden wäre, von TV-Sendern keine Einspeisegebühren mehr
zu nehmen» - stattdessen wurde der Firma nur auferlegt, die Entgelte
für frei empfangbare Fernsehsender nicht zu erhöhen. «Das entspricht

der traditionellen Linie dieser Behörde», so Gerpott. «Sie will den
europäischen Telekommunikationsmarkt konsolidieren im Glauben,
größere Player brächten die EU wirtschaftlich insgesamt nach vorn.»


Und was heißt die Übernahme für den Endverbraucher? In NRW, Hessen
und Baden-Württemberg könnte der Wettbewerb nachlassen, weil die
bisherige Konkurrenzsituation zwischen Unitymedia und Vodafone
wegfällt, warnte Gerpott. «Dies schränkt die Wahlmöglichkeiten fü
r
Kunden ein.» Eins ist zudem klar: Der Name Unitymedia ist bald
Geschichte. Von Vodafone heißt es hierzu: «Die Marke Unitymedia wird
im Laufe der Zeit auslaufen.»