Europäische Herausforderung für Huawei: Telekom-Riese trotzt den USA Von Simina Mistreanu, dpa

05.08.2019 06:00

Die USA werfen Huawei Spionage für Peking vor und üben Druck auf
europäische Länder aus, keine Geschäfte mehr mit dem chinesischen
Telekom-Unternehmen zu machen. Bisher haben sie damit wenig Erfolg.

Shenzhen (dpa) - An einem Freitagmittag im Juni überquert eine Gruppe
Huawei-Mitarbeiter einen Nachbau der Alten Brücke von Heidelberg auf
dem Weg zu einer Cafeteria nahe eines falschen Versailler Schlosses.
Auf der 120 Hektar großen Fläche des neuen Firmencampus in den Bergen
vor der Stadt Shenzhen im Südosten Chinas stehen Repliken von
Gebäuden aus zwölf europäischen Städten. Sie zeigen, wie sehr der
Firmengründer Ren Zhengfei Europas Kultur schätzt.

Doch jetzt steht der weltgrößte Netzwerkausrüster auf dem alten
Kontinent vor einer besonderen Herausforderung. Inmitten seines
Handelskriegs mit den USA bewirbt sich das chinesische Unternehmen in
Europa um Verträge für den Aufbau des 5G-Netzes.

Washington wirft Huawei vor, es helfe der Regierung in Peking, andere
Länder auszuspionieren. Die USA üben Druck auf ihre europäischen
Verbündeten aus, deshalb nicht mehr mit dem chinesischen Unternehmen
zusammenzuarbeiten. Damit haben sie bisher nur begrenzten Erfolg.
Huawei und Peking weisen die Vorwürfe zurück.

Wenn es um das richtige Unternehmen für den Ausbau der
5G-Infrastruktur geht, wiegen europäische Regierungen und
Telekommunikationsfirmen ihre Optionen vorsichtig ab. Ihre
Entscheidung kann bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen haben. Die
5G-Technologie ist bis zu 100 Mal schneller als 4G. Sie soll unter
anderem superschnelle Verbindungen für digitalisierte Fabriken,
fahrerlose Autos und smarte Haushaltsgeräte schaffen.

«Das führende 5G-Unternehmen wird im Lauf der kommenden zehn Jahre
Hunderte Milliarden Dollar verdienen. Dazu kommen viele neue Jobs im
gesamten Sektor drahtlose Technologie», heißt es in einem
Experten-Bericht für das US-Verteidigungsministerium.

Huawei hatte im vergangenen Jahr mit 40 Prozent den größten
Marktanteil unter den Netzwerkausrüstern in Europa, im Nahen Osten
und in Afrika, gefolgt von dem schwedischen Unternehmen Ericsson mit
36, Chinas ZTE mit 11 und Nokia aus Finnland mit 10 Prozent. Doch im
Mai erlitt die Firma einen Rückschlag, als Washington Huawei auf eine
schwarze Liste von Unternehmen setzte, mit denen US-Firmen nur unter
besonderen Auflagen Handel treiben dürfen.

Im Juni reduzierte Ren die Umsatzprognose für Huawei in den kommenden
zwei Jahren um 30 Milliarden Dollar. Im ersten Habjahr wuchs der
Umsatz des Konzerns zwar noch deutlich. Konkrete Angaben dazu, wie
das Geschäft durch die US-Santionen bereits gelitten hat, machte
Huawei bei der Vorlage der Zahlen in dieser Woche allerdings nicht.
Es seien noch viele Löcher zu stopfen, sagte Verwaltungsratschef
Liang Hua. Dafür wolle das Unternehmen massiv investieren.

Bei seinen Geschäftspartnern in Europa könne Huawei nicht viel mehr
tun, als auf den Vertrauensbonus der vergangenen 15 Jahre zu setzen
und für mehr Transparenz zu sorgen, heißt es bei dem Unternehmen. Zu

diesem Zweck hat Huawei an Orten wie Brüssel, Bonn oder im britischen
Banbury mehrere Zentren für Cybersicherheit angesiedelt, wo
Regierungen seine Produkte testen können.

«Ich arbeite seit 20 Jahren für diese Firma und ich würde sagen, dass

dies die schlimmste und die schwierigste Zeit für Huawei ist», sagt
der Geschäftsführer für Westeuropa, Vincent Peng. Die Stimmung der
Mitarbeiter sei aber weiter gut. 

Ein Ausschuss des britischen Parlaments kam jüngst zu dem Schluss,
dass es keine technischen Gründe für ein Verbot von Huawei gebe.
Betreiber wurden jedoch angewiesen, Huawei aus Sicherheitsgründen vom
«Kern» ihrer Netzwerke fernzuhalten. So haben einige
Mobilfunkanbieter in Großbritannien bereits mit dem Ausbau ihrer
5G-Dienste mit Huawei-Zubehör begonnen. 

Huawei hat zudem 5G-Verträge in Italien, Monaco, Spanien, der
Schweiz, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern, wo das
Unternehmen laut seinem Sprecher Joe Kelly über
Geheimhaltungsverträge verfügt. Insgesamt hat das Unternehmen mehr
als 50 5G-Verträge weltweit, 28 davon in Europa.

Länder wie Deutschland sind noch unsicher, ob sie Huawei ihre
Mobilfunknetze anvertrauen wollen. Anders als Australien, Neuseeland
oder Japan hat aber bisher kein europäischer Staat auf die Bitte der
USA hin ein Verbot ausgesprochen. «(Europäische) Länder mögen es
nicht, wenn man ihnen diktiert, was sie tun sollten, wenn es sich
negativ auf die Qualität ihrer technischen Infrastruktur auswirkt»,
sagt der Strategieprofessor Michael Jacobides von der Londoner
Business School.

Nach Meinung deutscher Experten ist Huawei bei der 5G-Technik der
Konkurrenz rund zwei Jahre voraus. Die Manager des Unternehmens
führen das auf Milliardeninvestitionen in Forschung und Entwicklung
in den vergangenen Jahren zurück. Die USA werfen Huawei unterdessen
vor, Geschäftsgeheimnisse von Wettbewerbern wie T-Mobile gestohlen zu
haben.

Sollte die US-Kampagne gegen Huawei Erfolg haben, könnte diese zu
einem «Eisernen Technologie-Vorhang» mit unterschiedlichen Standards
zwischen Ost und West führen, warnen Experten. Inmitten all der
Aufregung bemühen sich europäische Staaten unterdessen um Ausgleich.
Die Europäer wollten die politische Tür offenhalten, sagt Marcus
Gloger, ein Partner bei der Beraterfirma Strategy& in Deutschland.
Hierzulande wolle niemand eine «Aufteilung der Welt in eine westliche
und eine östliche Halbkugel.»