Kritik an Frontex wegen angeblicher Gewalt gegen Migranten

05.08.2019 17:15

Schläge, Misshandlung, Hetzjagden: Migranten werden Berichten zufolge
in mehreren EU-Staaten unmenschlich behandelt. Und die
EU-Grenzschutzagentur schaue nur zu, so der Vorwurf.

Brüssel (dpa) - Nach Medienberichten über unmenschliche Behandlung
von Migranten unter den Augen der EU-Grenzschutztruppe Frontex steht
diese heftig in der Kritik. Die EU-Kommission versprach am Montag
schnelle Aufklärung. Man werde den Anschuldigungen zusammen mit
Frontex nachgehen und die Agentur mit Sitz in Warschau werde
angemessen reagieren, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde.
«Jede Form von Gewalt an oder Missbrauch von Migranten und
Flüchtlingen ist inakzeptabel.» Die Grenzschutzagentur selbst wies
jede Beteiligung an Grundrechtsverletzungen von sich.

Das ARD-Politmagazin «Report München», die britische Zeitung
«Guardian» und das Recherchenetzwerk «Correctiv» berichteten, dass

Frontex Menschenrechtsverletzungen durch nationale Beamte an den
EU-Außengrenzen unter anderem in Bulgarien, Griechenland und Ungarn
hingenommen habe. Die Rede ist von «exzessiver Gewaltanwendung»,
«Misshandlung von Flüchtlingen» sowie «Hetzjagden mit Hunden». Di
e
Medien beriefen sich auf interne Dokumente der Grenzschutzagentur.
Frontex-Beamte selbst sollen bei Abschiebeflügen an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sein. So würden Flüchtlinge
medikamentös ruhiggestellt und Handschellen unverhältnismäßig
eingesetzt.

Die Grenzschutzagentur verwahrte sich am Montag gegen die Vorwürfe.
«Frontex bestreitet kategorisch jede Beteiligung seiner Beamten an
Verletzungen der Grundrechte», heißt es in einer Stellungnahme. Jedes
Fehlverhalten der eigenen Mitarbeiter werde geahndet. Bislang sei
jedoch keine einzige Beschwerde gegen Frontex-Beamte eingegangen.
Zugleich betonte die EU-Agentur, jeder Frontex-Beamte sei zum Melden
von Grundrechtsverletzungen verpflichtet. Allerdings habe Frontex
keine Autorität über das Verhalten nationaler Grenzbeamte, ebenso
wenig könne Frontex auf dem Boden eines EU-Staats ermitteln.

Das Bundesinnenministerium bestätigte die Vorwürfe am Montag nicht.
«Wir können von keinem Einsatz berichten, bei dem es zu
Menschenrechtsverletzungen kam, und wir haben auch keine eigenen
Erkenntnisse dazu», sagte eine Sprecherin am Montag. Sie versicherte
jedoch, dass nun über die Vorwürfe gesprochen werde. Von den 105
deutschen Einsatzkräften von Bundespolizei, Länderpolizeien und Zoll
sind laut Innenministerium 56 in Griechenland im Einsatz, 22 in
Bulgarien, 7 in Spanien und 6 in Italien. Bundespolizisten werden
zudem in Albanien (8), Ungarn (3) und Kroatien (3) eingesetzt.

Die in den Berichten genannten Länder stehen für ihren Umgang mit
Migranten schon länger in der Kritik. Ungarn wird immer wieder
vorgeworfen, seine Grenzpolizisten würden Migranten und Flüchtlinge
misshandeln, die sie an der Grenze zu Serbien aufgriffen. Die
Menschen werden demnach häufig getreten und geschlagen. In
Griechenland harren viele Flüchtlinge unter katastrophalen
Bedingungen in überfüllten Lagern aus. Zudem beklagen humanitäre
Organisationen gewalttätige Zurückweisungen an der Grenze zur Türkei.

Auch in Bulgarien kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang
der Polizei mit Migranten an der Grenze zur Türkei.

Bulgariens Innenminister Mladen Marinow widersprach den Vorwürfen am
Montag. «Ich kann kategorisch erklären, dass Bulgarien sämtliche
Abkommen und Vereinbarungen zu den Menschenrechten einhält», sagte
Marinow bei einem Besuch in München. «Seitens der bulgarischen
Grenzbeamten wird physische Gewalt nur dann angewandt, wenn es die
Situation erfordert.»

Die Sprecherin der EU-Kommission betonte, dass bei der Frontex-Reform
2016 mehrere Schutzvorkehrungen getroffen worden seien, um zu
gewährleisten, dass Menschenrechte beim Einsatz der Frontex-Beamten
gewahrt blieben. Frontex unterstützt die EU-Staaten beim Schutz ihrer
Grenzen und arbeitet dabei an der Seite nationaler Beamte. Nach einer
Einigung der EU-Staaten mit dem Europaparlament soll die Agentur bis
2027 um 8500 Einsatzkräfte auf 10 000 aufgestockt werden. Außerdem
soll sie mehr Befugnisse bekommen.

Die Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen sorgten für
heftige Kritik. Margarete Bause, Sprecherin der
Grünen-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe,
forderte: «Die unhaltbaren Zustände müssen unverzüglich abgestellt

werden. Der Schutz von Europas Außengrenzen darf nicht dazu führen,
dass schwerste Menschenrechtsverletzungen von EU-Verantwortlichen
geduldet oder womöglich selber begangen werden.» Die Bundesregierung
müsse auf EU-Ebene auf eine lückenlose Aufklärung dringen.