Deutschland will EU-Mission im Golf - Briten schließen sich USA an Von Michael Fischer, Silvia Kusidlo und Silke Nauschütz, dpa

05.08.2019 18:55

Die Bundesregierung hat klar Nein zu einer gemeinsamen Militärmission
mit den USA im Persischen Golf gesagt. Ganz tatenlos will sie der
zunehmenden Gefährdung der Handelsschiffe in der Straße von Hormus
aber dann doch nicht zuschauen.

Berlin/Slubice/London (dpa) - Nach der Absage an einen
US-Militäreinsatz im Persischen Golf setzt sich die Bundesregierung
nun aktiv für eine EU-Beobachtermission zum Schutz von
Handelsschiffen ein. «Wir wollen eine europäische Mission», sagte
Außenminister Heiko Maas am Montag bei einem Besuch im polnischen
Slubice. Großbritannien entschied sich am Montag allerdings, an der
umstrittenen US-Mission teilzunehmen. Damit drohen die Europäer in
der Iran-Frage auseinanderzudriften.

Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA hat die Sicherheitslage
auf der wichtigen Handelsroute durch die Straße von Hormus dramatisch
verschlechtert. In den vergangenen Wochen sind dort Schiffe
festgesetzt und angegriffen worden. Trotzdem hatte die
Bundesregierung in der vergangenen Woche eine Anfrage der USA zur
Teilnahme an ihrer Mission «Sentinel» (Wache) zum Schutz des
Handelsverkehrs abgeschlagen. Der Grund: Sie will die US-Strategie
des «maximalen Drucks» auf den Iran nicht unterstützen.

Die Briten wollen sich nun zunächst mit zwei Kriegsschiffen an der
Mission beteiligen, die dort bereits 47 britische Handelsschiffe
eskortiert haben. «Es ist angesichts der wachsenden Bedrohung
entscheidend, dass die Freiheit des internationalen Seeverkehrs in
der Straße von Hormus ohne Verzögerung gesichert wird», sagte
Außenminister Dominic Raab.

Die EU-Mission stellt sich Maas anders vor als die amerikanische. An
eine Eskortierung von Schiffen ist nicht gedacht. «Wir haben immer
uber eine Beobachtermission an der Straße von Hormus gesprochen»,
sagte Maas. Das heißt: Die EU würde lediglich Informationen über die

Gefährdung des Schiffsverkehrs sammeln und an die Handelsschiffe
weitergeben. Damit ließe sich zwar eine gewisse Abschreckung
erreichen, militärisch eingreifen könnte man bei einem Angriff aber
nicht.

Die Bundesregierung lotet derzeit aus, wieviel Unterstützung es in
der EU für eine Beobachtermission gibt. Nach Angaben des Auswärtigen

Amts wird es noch in dieser Woche auf hoher Beamtenebene Gespräche
mit Frankreich darüber geben. Auch mit anderen EU-Partnern inklusive
Großbritannien wolle man darüber sprechen. Es sei allerdings
«absehbar, dass es sicherlich noch Zeit in Anspruch nehmen wird, die
EU davon zu überzeugen», betonte Maas. Eine Beteiligung an der
US-Mission schloss er erneut kategorisch aus.

Die Briten hatten eine europäische Mission kurz vor dem Wechsel an
der Regierungsspitze selbst vorgeschlagen. Der neue Premierminister
Boris Johnson vollzog dann aber die Kehrtwende, weil er der Meinung
ist, dass der Schutz der Schiffe im Persischen Golf ohne die USA
nicht machbar ist.

Der britische Außenminister Raab betonte aber, dass Großbritannien in
der Iran-Politik an einer anderen entscheidenden Stelle weiter mit
den europäischen Partnern an einem Strang ziehen wolle. «Wir wollen
weiter mit dem Iran und unseren internationalen Partnern daran
arbeiten, die Situation zu deeskalieren und das Atomabkommen zu
erhalten», sagte er. Großbritannien, Deutschland und Frankreich
wollen das Abkommen von 2015 zur Verhinderung einer iranischen
Atombombe retten, aus dem die USA längst ausgestiegen sind.

Was die Bundeswehr zu einer EU-Beobachtermission beitragen könnte,
ist noch unklar. An der EU-Mission zur Bekämpfung der Piraterie am
Horn von Afrika steuerte die Marine beispielsweise in den letzten
Jahren immer wieder das Aufklärungsflugzeug P-3C «Orion» bei. Ein
Sprecher des Verteidigungsministeriums ließ am Montag jedenfalls
keinen Zweifel daran, dass die Deutsche Marine in der Lage ist, sich
an einer EU-Mission zu beteiligen: «Gehen Sie mal davon aus, dass die
Deutsche Marine bisher alle Anforderungen, die an sie herangetragen
worden sind, leisten konnte. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht
in Zukunft auch so sein soll.»

In der Europäischen Union müssten alle Mitgliedstaaten zustimmen -
nach jetzigem Stand auch Großbritannien, das allerdings die EU zum
31. Oktober verlassen möchte. Eine Mission einzelner europäischer
Staaten ist aus deutscher Sicht rechtlich problematisch. Die
Verfassung erlaubt Auslandseinsätze nur innerhalb eines «Systems
kollektiver Sicherheit», zu dem die EU zweifellos zählen. Bei einer
losen Koalition ist das umstritten.

In den vergangenen Tagen hatten vor allem CDU und CSU auf eine
deutsche Initiative für einen EU-Einsatz gedrungen. «Die
Glaubwürdigkeit Europas steht massiv auf dem Spiel», sagte der
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter der Deutschen Presse-Agentur.
«Am Seitenrand stehend zu kommentieren, wird dem Iran vielmehr
weitere Freiräume bieten, die Grenzen seiner Provokationsstrategie
gegenüber den USA auszutesten.»

Die SPD steht einer EU-Mission grundsätzlich offen gegenüber, «Es
kommt aber auf die Ausgestaltung an», sagte der außenpolitische
Sprecher Nils Schmid der dpa. «Wir müssen den Abstand zu der
amerikanischen, militärisch geprägten Mission wahren.»

Auch die FDP, die Grünen und die AfD haben keine grundsätzlichen
Einwände gegen eine EU-Mission, falls bestimmte Bedingungen erfüllt
sind. Klar dagegen ist bisher nur die Linke. «Egal unter welcher
Flagge, die Linke erteilt Plänen für einen Militäreinsatz deutscher
Soldaten im Persischen Golf eine Absage», sagte die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen.