Ökonom Fratzscher: Salvini wird weiter auf Konfrontationskurs gehen

10.08.2019 07:15

Eine schwere Regierungskrise erschüttert Italien. Eine Neuwahl wird
immer wahrscheinlicher. Eine neue Regierung könnte die Zusammenarbeit
in Europa schwieriger machen.

Frankfurt/Rom (dpa) - Die Regierungskrise in Italien weckt Sorgen
über den künftigen Kurs Roms. Ökonomen schließen nicht aus, dass ei
ne
mögliche Neuwahl zu einer Mehrheit der rechten Lega unter Matteo
Salvini und der konservativen Partei Forza Italia führen könnte. «F
ür
Europa wäre eine rechte Regierung in Italien ein noch größerer
Alptraum als die gegenwärtige Regierung», sagte Marcel Fratzscher,
Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der
Deutschen Presse-Agentur. Andere Beobachter halten ein Bündnis mit
den rechtsnationalen Fratelli d'Italia für wahrscheinlicher, gehen
aber davon aus, dass Salvini im Falle einer Neuwahl zunächst alleine
in den Wahlkampf ziehen würde.

«Salvini wird weiter auf Konfrontationskurs mit Europa gehen, zumal
sich dieser für ihn bisher gelohnt hat», sagte Fratzscher. «Ein
zunehmend populistischer und fremdenfeindlicher Kurs Italiens wird es
für Europa in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik und beim
Thema Migration deutlich schwieriger machen.»

Nach nur 14 Monaten an der Macht droht das Ende der
Populisten-Allianz aus rechter Lega und Fünf-Sterne-Bewegung.
Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini sieht keine Zukunft mehr
für das Regierungsbündnis und hat Neuwahlen gefordert. Der
Rechtspopulist kündigte ein Misstrauensvotum im Senat gegen den
Ministerpräsidenten Giuseppe Conte an. Entzieht das Parlament dem
Regierungschef das Vertrauen, wäre die Koalition auch formal am Ende.

Eine neue, rechte Regierung unter Salvini könnte zwar den Konflikt
der gegenwärtigen Regierung über den Kurs der Wirtschaftspolitik
auflösen, sagte Fratzscher. «Salvini müsste dann aber auch die Chance

nutzen, sinnvolle wirtschaftliche Reformen auf den Weg zu bringen, um
dem Land einen dringend notwendigen Wachstumsimpuls zu verleihen.»

Die Konjunktur in Italien schwächelt. Im zweiten Quartal stagnierte
das Wachstum, nachdem die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone
zum Jahresbeginn auch nur um 0,1 Prozent zugelegt hatte. Zugleich
weist das Land mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten
Staatsverschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote - also das
Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft - betrug 2018 mehr
als 132 Prozent und war damit die höchste in den 28 Staaten der
Europäischen Union hinter Griechenland.

Skeptisch beurteilt Ökonom Marco Wagner von der Commerzbank den
wirtschaftlichen Kurs einer möglichen neuen Regierung aus Lega und
Forza Italia. «Insgesamt würde unserer Einschätzung nach eine solche

Koalition größtenteils der Linie Salvinis folgen und auf Umverteilung
und Infrastrukturprogramme setzen.» Strukturreformen dürfte es - wenn
überhaupt - nur in geringem Maße geben. Italien werde weiter das
schwache Glied im Euroraum bleiben.