Neue Dünge-Regeln gegen Nitrat im Wasser - Reicht Brüssel das?

21.08.2019 17:42

Umweltschützer und Wasserwerke fordern schon lange, dass weniger
Dünger auf Wiesen, Weiden und Feldern landen sollten. Aber auch
Brüssel macht Druck auf Deutschland, mehr gegen Nitrat im Grundwasser
zu tun. Nun macht die Bundesregierung einen neuen Vorschlag.

Berlin (dpa) - Im Streit um zu viel Nitrat im Grundwasser hat die
Bundesregierung einen neuen Vorschlag für strengere Dünge-Regeln
vorgelegt. Er enthält unter anderem neue Pflichten für Bauern, die
Düngermenge zu dokumentieren, längere Sperrfristen sowie striktere
Vorgaben an Hängen, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium am
Mittwoch nach einem rund zweistündigen Treffen mit Bundesländern und
Verbänden mitteilte. Mit diesen Vorschlägen reisen Agrarministerin
Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am
kommenden Mittwoch nach Brüssel, um ein weiteres Verfahren gegen
Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verhindern.

Die EU-Kommission hatte Deutschland wegen zu überhöhter Nitratwerte
im Grundwasser bereits verklagt und Recht bekommen. Düngen etwa mit
Gülle und Festmist ist eine Hauptursache dafür, dass an vielen
Messstellen in Deutschland die Grenzwerte überschritten werden. Das
Urteil bezog sich zwar noch auf ältere Düngeregeln. Aber auch die
erst 2017 geänderten Vorgaben müssen nun verschärft werden, sonst
könnten teure Strafzahlungen drohen. Nitrat ist wichtig für Pflanzen,
zu viel davon kann die Natur aber aus dem Gleichgewicht bringen.
Außerdem können aus Nitrat gesundheitsgefährdende Nitrite entstehen.


Politisch ist das Thema extrem umstritten, weil das Umweltministerium
für den Schutz des Bodens und des Wassers zuständig ist, aber das
Agrarministerium für die Dünge-Vorgaben. «Das Ziel ist eine
praktikable und zugleich umweltschonende Lösung», teilten beide
Ressorts gemeinsam mit. Von Bundesländern und Verbänden habe es für
die Vorschläge «breite Zustimmung» gegeben.

Allerdings zeigten die Wasserversorger sich nach dem Treffen nicht
zufrieden. Die Zeitpläne und Maßnahmen reichten nicht aus, teilte der
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit.
Hauptgeschäftsführer Martin Weyand kritisierte etwa, dass noch nicht
alle Bundesländer «rote Gebiete» mit hoher Belastung ausgewiesen
hätten, wo besonders strenge Regeln gelten sollen. Es reiche auch
nicht, dass pro Betrieb im Schnitt 20 Prozent weniger Nitrat
eingesetzt werden dürfe: «Es hilft nichts, wenn auf der einen Fläche

deutlich weniger gedüngt wird und dafür an anderer Stelle deutlich
mehr Dünger aufgebracht werden darf.»

Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der die Stadtwerke
vertritt, sieht noch Handlungsbedarf. Die Beschränkungen seien
wirkungslos, solange die Kontrollbehörden sie nicht überprüfen
könnten, sagte Vizepräsident Karsten Specht. Es brauche ein
transparentes Monitoring-System. Das Leitungswasser in Deutschland
kann man in aller Regel bedenkenlos trinken. Aber
Trinkwasserversorger mahnen schon lange, dass es aufwendiger und
teurer werde, die Qualität zu halten.

Ob die EU-Kommission mit den neuen Vorschlägen aus Berlin zufrieden
ist, dürfte frühestens nach dem Treffen der beiden Ministerinnen mit
Umweltkommissar Karmenu Vella kommende Woche feststehen. Es könnte
aber auch sein, dass Brüssel erst eine Weile nach dem Gespräch am 28.
August den Daumen hebt oder senkt. Umwelt- und Agrarministerium
forderten die Länder am Mittwoch erneut auf, ihre «roten Gebiete»
auszuweisen - dies sei für die Kommission ein «wichtiger Punkt».

Niedersachsen kündigte an, am 10. September Karten mit den belasteten
Gebieten vorzulegen - dort gibt es besonders viel Viehhaltung, was
Umweltschützer immer wieder kritisieren.

Auch wenn von EU-Seite am Ende keine Einwände mehr da wären, sieht
Christian Rehmer von der Umweltschutzorganisation BUND noch viele
Baustellen in der Agrarpolitik. Dass zum Beispiel die Ränder von
Gewässern bepflanzt werden sollen, um überschüssigen Dünger
aufzunehmen, müsse nicht über Düngeregeln, sondern über das
Wasserhaushaltsgesetz geregelt werden. «Klar ist: Für den Schutz
unserer Umwelt und des Klimas brauchen wir eine umfassende Agrarwende
und den Abbau der Nutztierbestände», sagte er.