Johnson schickt Parlament nach Abstimmung über Neuwahl in Zwangspause Von Silvia Kusidlo und Christoph Meyer, dpa

09.09.2019 14:30

Der Brexit hält Großbritannien weiter in Atem. An diesem Montag
stimmt das Parlament erneut über eine Neuwahl ab, bevor es in eine
mehrwöchige Zwangspause geht - bis kurz vor dem geplanten Brexit.

London/Dublin (dpa) - Nur etwa 50 Tage vor dem geplanten Brexit geht
das britische Parlament in eine fünfwöchige Zwangspause. Sie sollte
noch am Montagabend beginnen, teilte ein Regierungssprecher in London
mit. Das Parlament soll dann erst wieder am 14. Oktober
zusammentreten - also nur etwas mehr als zwei Wochen vor dem
geplanten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union.

Premierminister Boris Johnson wollte am Montag noch vor Beginn der
Zwangspause das Unterhaus ein weiteres Mal über eine Neuwahl
abstimmen lassen. Doch es galt als extrem unwahrscheinlich, dass er
die dafür nötige Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten bekommt. Die
Oppositionsparteien hatten dem Vorstoß schon im Vorfeld eine Absage
erteilt. Bereits in der vergangenen Woche war Johnson mit einem
ersten Antrag auf eine Neuwahl im Unterhaus durchgefallen.

An diesem Montag sollte auch das Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit in
Kraft treten, das vom Parlament am Freitag verabschiedet worden war.
Es sieht vor, dass der Regierungschef bei der EU eine Verlängerung
der am 31. Oktober auslaufenden Brexit-Frist beantragen muss, sollte
bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen ratifiziert sein.

Johnson lehnt eine Verlängerung jedoch kategorisch ab. Lieber wolle
er «tot im Graben» liegen. Über das Gesetz will er sich trotzdem
nicht hinwegsetzen. Spekuliert wird, dass die Regierung versuchen
wird, anderweitig ein Schlupfloch zu finden.

Bei einem Besuch in Irland sagte Johnson am Montag ausdrücklich, dass
er einen geregelten Brexit seines Landes zum 31. Oktober wolle. «Ich
will einen Deal erreichen», betonte Johnson bei dem Treffen mit
seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar in Dublin. Dies solle ohne
die Einrichtung einer festen Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland
und dem britischen Nordirland möglich sein. Wie das umgesetzt werden
soll, verriet Johnson aber nicht. Kommentatoren - etwa bei der BBC -
stuften seinen Ton als ein wenig moderater ein als in der
Vergangenheit.

Brüssel und Dublin fordern eine Garantie dafür, dass Kontrollposten
an der Grenze zu Nordirland nach dem Brexit vermieden werden. Denn
das könnte den alten Konflikt zwischen katholischen Befürwortern
einer Vereinigung Irlands und protestantischen Loyalisten wieder
schüren. Bis eine andere Lösung gefunden wird, sollen für Nordirland

weiter einige EU-Regeln gelten und ganz Großbritannien in der
EU-Zollunion bleiben.

Diese «Backstop» genannte Lösung lehnt Johnson jedoch strikt ab. Er
sieht in der Klausel ein «Instrument der Einkerkerung»
Großbritanniens in Zollunion und Binnenmarkt. Varadkar betonte jedoch
am Montag: «Für uns gibt es keinen Deal ohne Backstop.»

Varadkar warnte, ein EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen sei
alles andere als ein «klarer Bruch». Was auch immer passiere - beide
Seiten müssten schnell wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.
«Die ersten Punkte auf der Tagesordnung werden sein: Rechte von
Bürgern, ein finanzieller Ausgleich und die irische Grenze», so
Varadkar. Für alle diese Punkte seien im Austrittsabkommen, das
Johnsons Vorgängerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte,
Lösungen gefunden worden.

Etwa 100 Demonstranten protestierten vor dem Parlamentsgebäude in
Dublin gegen Johnsons Brexit-Kurs. «Keine Zölle, keine Grenze, kein
Brexit», sangen einige von ihnen. Sie glauben nicht, dass Johnson
tatsächlich einen geregelten Ausstieg aus der EU anstrebt. «Der lügt

doch», sagte eine Demonstrantin aus der Grafschaft Cork.

Die Polizei in Nordirland teilte unterdessen mit, ein am Samstag in
einem Grenzort gefundener Sprengsatz sei der
katholisch-republikanischen Splittergruppe «Neue IRA» zuzuordnen. Die
funktionsfähige Mörsergranate sollte nach Angaben der Ermittler wohl
auf ein Polizeirevier abgefeuert werden, der Granatwerfer habe aber
vermutlich versagt. Gefunden wurde sie auf einer Mauer nahe der
Polizeidienststelle. Sie konnte erfolgreich entschärft werden.
Verletzt wurde niemand. Ähnliche Vorfälle hatte es in den vergangenen
Wochen und Monaten mehrfach gegeben.