Europäische Lebensweise: EU-Parlament setzt von der Leyen unter Druck

19.09.2019 16:25

Rückenwind oder erste Sturmfront für von der Leyen? Die Besetzung der
künftigen EU-Kommission führt vor den Anhörungen der Kommissare zu
Diskussionen im Europaparlament. Vor allem wegen eines bestimmten
Postens gehen die Abgeordneten auf die Barrikaden.

Straßburg (dpa) - Ursula von der Leyen muss um die Zustimmung des
Europaparlaments für ihre geplante EU-Kommission bangen. Nach den
Liberalen forderten am Donnerstag auch die Sozialdemokraten
Änderungen am Zuschnitt einzelner Ressorts und am umstrittenen Titel
des nominierten Vizepräsidenten zum «Schutz der europäischen
Lebensweise». Von der Leyen gab sich nach einem Treffen mit
Parlamentspräsident David Sassoli und den Fraktionschefs dennoch
zuversichtlich.

«Ich hatte ein ausgesprochen konstruktives Meeting», sagte die
CDU-Politikerin. Das Treffen habe ihr Rückenwind für die kommenden
Wochen und Monate gegeben. Ein gutes Verhältnis zum Parlament sei ihr
wichtig und entscheidend für die Arbeit an großen Themen wie der
Klimapolitik, der Digitalisierung und der Rolle Europas in der Welt.

Zunächst ist von der Leyen aber darauf angewiesen, dass das Parlament
ihr Personalpaket mit 26 Kommissaren billigt. Alle Kandidaten sollen
zuvor in Ausschüssen angehört werden. Die Abstimmung ist für den 23.

Oktober angesetzt. Die neue Kommission soll am 1. November starten -
falls alles glatt geht.

Die sozialdemokratische Fraktionschefin Iratxe García schrieb in
einem Brief an von der Leyen, die Fraktion sehe einige Besetzungen
und Themenfelder der designierten EU-Kommissare mit Sorge. Die
Sozialdemokraten - die zweitgrößte Fraktion im Parlament - könnten
die EU-Kommission nicht unterstützen, solange der Titel des geplanten
Vizepräsidenten zum «Schutz der europäischen Lebensweise» auch mit

dem Thema Migration verbunden sei. Damit würden Werte wie der Respekt
vor Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Solidarität beiseite
gelassen, kritisierte García.

Auch die Liberalen forderten Änderungen - und zwar noch vor den
Anhörungen der EU-Kommissare. «Ich schlage vor, den Titel zu ändern
oder den Inhalt des Auftragsschreibens zu überarbeiten», sagte
Fraktionschef Dacian Ciolos. Die anhaltende Diskussion über den Titel
gefährde die Qualität und den Inhalt der Befragung des für den Posten

Nominierten Margaritis Schinas.

Von der Leyen habe viele Fragen offen gelassen, erklärte der
Co-Vorsitzende der EP-Linksfraktion, Martin Schirdewan. «Sie konnte
entgegen ihrer Ankündigungen im Sommer nicht plausibel erklären,
welche Rolle die Sozialpolitik und der Kampf gegen Steuerflucht und
Steuerdumping in ihrer Kommission zukünftig spielen werden.»

Die Fraktionschefin der Grünen im Parlament, Ska Keller, zeigte sich
etwas zuversichtlicher. Von der Leyen habe erklärt, dass sie offen
sei für Gespräche und auch durchaus bereit sei, Dinge anzupassen.
«Und das werden wir in der nächsten Zeit versuchen», sagte Keller.